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Rede von Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, im Hotel Berlin aus Anlass des Afrika-Tages vor den Botschaftern der afrikanischen Länder und weiteren Gästen am 25.05.2003

Es gilt das gesprochene Wort!

Ich freue mich sehr, heute hier mit Ihnen feiern zu können. Denn heute ist ein besonderer, ein historischer Tag: Heute vor 40 Jahren, am 25. Mai 1963, wurde die Organisation für Afrikanische Einheit gegründet.

Die Gründung geschah in schwieriger Zeit; in einer Zeit, als noch Kolonialismus und Apartheid in Afrika regierten. Die OAU sah ihre Aufgabe im Kampf gegen die Unterdrückung; im Eintreten für Unabhängigkeit, Blockfreiheit und die Entwicklung der afrikanischen Staaten.

Heute können Sie alle mit Stolz zurückblicken: Gemeinsam haben Sie mit der OAE für Afrika ungeheuer viel erreicht. Nach und nach gewannen die Staaten ihre Souveränität.

Das Ende des Kalten Krieges brachte vor mehr als 10 Jahren einen weiteren Impuls, der auch der Unabhängigkeit Namibias und dem friedlichen Wandel in Südafrika den Weg ebnete. Afrika hatte die Epoche des Kolonialismus hinter sich gelassen.

Afrika beginnt das 21. Jahrhundert als selbstbewusster und selbstverantwortlicher Kontinent. Die Gründung der Afrikanischen Union in Nachfolge der OAE im Jahre 2002 war deshalb ein konsequenter und richtiger Schritt.

In den Strukturen der neuen Afrikanischen Union erkenne ich viele Parallelen zur Europäischen Union. Hier öffnen sich Möglichkeiten und Chancen zur verstärkten wirtschaftlichen Zusammenarbeit, zur politischen Partnerschaft und zum kulturellen Austausch zwischen Nachbarkontinenten.

Dabei handeln Afrika und seine Staaten heute und in Zukunft als souveräne, freie und gleichberechtigte Partner im Rahmen der internationalen Rechtsordnung und der Vereinten Nationen.

Dies bestätigte eindrucksvoll im Februar der Sondergipfel der Afrikanischen Union.

Das Interventionsrecht der Afrikanischen Union bei Kriegsverbrechen, Genozid und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, ihre Bereitschaft zur Herstellung von Frieden und Stabilität in einem Mitgliedstaat, dessen legitime Ordnung ernsthaft bedroht ist, sind von weltpolitischer Bedeutung. Damit wird unübersehbar signalisiert: Afrika setzt für seine Zukunft auf regionale Eigenverantwortung und das weltweit geltende Recht.

Afrika hat den Willen und die Kraft, selbst Führungsverantwortung zu übernehmen.

Das beweist auch der Beschluss der Afrikanischen Union zur Einsetzung der African Mission in Burundi mit Soldaten aus Südafrika, Mosambik und Äthiopien. 

Diese Mission verdient die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft. Deutschland und Europa leisten bereits ihren Beitrag, auch für die seit März tätige Beobachtertruppe der Afrikanischen Union.

Der friedliche Wechsel im Präsidentenamt Burundis ist ein ermutigender Schritt. Er verdient Anerkennung und Hilfe.

Konfliktbeilegung und Krisenprävention stehen nicht ohne Grund immer mehr im Zentrum unserer gemeinsamen Anstrengungen. Denn ohne Sicherheit, ohne Frieden, ohne stabile gesellschaftliche Rahmenbedingungen gibt es keine Entwicklung, keinen Wohlstand und keine Zukunft.

Darum müssen wir, wie Bundespräsident Rau in seiner Berliner Rede am Montag sagte, "viel früher mehr Energie und mehr finanzielle Mittel darauf verwenden, um Konflikte mit zivilen Mitteln zu lösen."

Davon lässt sich Deutschland in der internationalen Politik leiten, in den Vereinten Nationen, im Sicherheitsrat, auch beim bevorstehenden Treffen der G 8, wo es um Frieden und Entwicklung geht.

Der Afrika-Aktionsplan der G 8 wäre ohne die Initiative für eine neue Entwicklungspartnerschaft mit Afrika, die "New Partnership for Africa\'s Development" - (NePAD) in seiner jetzigen Form nicht zustande gekommen.

NePAD ist ein überragendes Bekenntnis afrikanischer Politiker zu Frieden, Sicherheit und Entwicklung. Sie öffneten einen überzeugenden Weg zu guter Regierungsführung, zu Eigenverantwortung und Rechtstaatlichkeit.

Mein Dank gilt all jenen, die mit visionärem Blick diese neuen Grundlagen für Afrikas Zukunft gelegt haben.

African Union und NePAD stehen heute im Vordergrund der multilateralen Bemühungen um Afrikas Entwicklung. Aber auch die Bedeutung der Regionalorganisationen des Kontinents hat erheblich zugenommen.

Ein Beispiel: Die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS entwickelt seit Anfang der neunziger Jahre ein immer stärkeres Profil.

Ich selbst hatte die Gelegenheit, vor wenigen Wochen in einem sehr intensiven Gespräch mit führenden Persönlichkeiten aus ECOWAS-Staaten Perspektiven interregionaler Zusammenarbeit zu erörtern. ECOWAS hat wesentliche Beiträge zur Konfliktbewältigung in Westafrika geleistet, die weltweit als Modell für friedenserhaltende und friedenschaffende-Operationen gelten.

Trotz dieser vorbildlichen Anstrengungen wird Afrika weiter von blutigen Konflikten heimgesucht. Manchen Ländern wird ihr Rohstoffreichtum nicht zum Segen, sondern zum Fluch. Raubkriege um Ressourcen und fortschreitender Staatszerfall erscheinen oft verbunden wie ein Teufelskreis.

So herrscht im Osten der Demokratischen Republik Kongo seit Jahren ein Krieg, der neben ethnischen Ursachen seine Wurzeln auch in der Ausplünderung der natürlichen Reichtümer hat.

Die schrecklichen Ereignisse in Bunia haben die Aufmerksamkeit in Deutschland erneut auf diesen Konflikt gelenkt. In seiner Dimension und mit seinen Folgen für die Menschen ist er ungeheuerlich.

Der Ruf nach Hilfe ist allzu berechtigt.

Ich werde daher morgen selbst nach Kinshasa, Kigali und Kampala aufbrechen, um mit den Verantwortlichen zu sprechen, mir ein Bild von der Lage zu verschaffen und auszuloten, wie wir hier helfen können.

Meine Damen und Herren, Kriege, Unterentwicklung und Armut bilden auch den Nährboden für Seuchen und Pandemien.

Am schlimmsten ist die AIDS-Katastrophe. Die weltweit höchste Infektionsrate liegt im südlichen Afrika vor. Die Auswirkungen auf Wirtschaft und politische Entwicklung sind in ihrer ganzen furchtbaren Tragweite noch gar nicht abzusehen.

Deshalb gilt für die deutsche Politik: Wo wir können, wollen wir helfen, den Teufelskreis von Gewalt, Rohstoffplünderung, Armut, Not und Krankheit zu durchbrechen.

Allein im südlichen Afrika sind seit bald einem Jahr sechs Länder von der schlimmsten Nahrungsmittelkrise des letzten Jahrzehnts betroffen.

Die Zahl der Bedürftigen wird auf rund 14 Millionen Menschen geschätzt. Deutschland wird auch hier weiter humanitäre Hilfe leisten.

Allerdings: Die Nahrungsmittelkrise wird in einzelnen Staaten nicht nur durch ausbleibenden Regen verursacht. Auch schlechte Regierungsführung und persönliches Streben nach Machterhalt können den wirtschaftlichen Niedergang eines Landes herbeiführen und Nachbarstaaten schädigen.

Kann ein Freund tatenlos zusehen, wenn die Zukunftschancen eines Landes verspielt werden? Die Bundesregierung glaubt, dass es auch ihre Freundespflicht ist, auf Fehlentwicklungen aufmerksam zu machen.

Wo behutsames Einwirken und gezielte Hilfe möglich sind, sollten sie im Interesse friedlichen Wandels genutzt werden.

In diesem Zusammenhang begrüßt und würdigt die Bundesregierung die politische Initiative der Präsidenten Muluzi, Obasanjo und Mbeki, im direkten Gespräch mit Präsident Mugabe und dem simbabwischen Oppositionsführer Tsvangirai die politische und wirtschaftliche Krise Simbabwes zu überwinden.

Wo wir als Deutsche und Europäer unseren afrikanischen Freunden und Partnern helfen können, wollen wir das gerne tun.

Im Sicherheitsrat haben wir das Thema Äthiopien/Eritrea federführend übernommen. Äthiopien und Eritrea haben sich verpflichtet, die von der gemeinsamen Grenzkommission getroffenen Entscheidungen als endgültig und bindend zu betrachten. Nun kommt es darauf an, das Trennende der Grenze zu überwinden und zu einem gutnachbarschaftlichen Verhältnis zu gelangen.

Wir sind bereit, diesen schwierigen Prozess im Rahmen unserer Möglichkeiten zu fördern.

Zahlreiche positive Entwicklungen bestärken uns dabei, weiter eng mit unseren afrikanischen Freunden zusammen zu arbeiten.

Das gewaltfreie Ende der unmenschlichen Apartheidspolitik ist erst zehn Jahre her. Heute ist Südafrika eine unerlässliche Stütze für regionale und kontinentale Stabilität. Das politische Engagement Südafrikas bei Friedensmissionen in Afrika ist beeindruckend, der professionelle Einsatz der
südafrikanischen Streitkräfte findet international höchstes Lob.

Auch in Angola sehen wir ermutigende Signale. Im ersten Jahr nach Ende des Bürgerkriegs wurden die schlimmsten Kriegsfolgen schrittweise überwunden. Über drei Millionen intern Vertriebene und knapp eine halbe Million externe Flüchtlinge blicken heute wieder mit Hoffnung in die Zukunft.

Rund die Hälfte der Vertriebenen ist in ihre Herkunftsgebiete zurückgekehrt, ehemalige UNITA-Kombattanten werden demobilisiert. Internationale Unternehmen beginnen, das wirtschaftliche Potenzial des ressourcenreichen Landes zu erschließen.

Der friedliche und demokratische Regierungswechsel in Kenia ermutigt den ganzen Kontinent. Ablauf und Ergebnis der Wahlen haben den Willen zu demokratischem Wandel eindrucksvoll bestätigt. Wir wünschen der neuen kenianischen Regierung viel Erfolg, wir werden ihren Weg als Freund und Partner begleiten.

Auch aus Mosambik gibt es gute Nachrichten. Die Wirtschaft des Landes wächst kräftig, die Inflation sinkt. Wenn Mosambik im Juli 2003 die Präsidentschaft der Afrikanischen Union von Südafrika übernimmt, dann wird eine Erfolgsgeschichte fortgesetzt. Ich gratuliere schon heute Südafrika zu einer von Beginn an erfolgreichen Präsidentschaft und wünsche Mosambik eine glückliche Hand in der Fortführung des Einigungswerks des
Kontinents.

Keine gegensätzlichen Interessen trennen heute und in Zukunft Afrika und Europa.

Statt dessen vereint uns das gemeinsame Streben nach Einigkeit, Recht und Freiheit, das solidarische Eintreten für Frieden, Entwicklung und Fortschritt. 

Die Afrikanische Union, alle afrikanischen Staaten, ihre Regierungen und Menschen wissen, dass Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten als Freund und Partner an Ihrer Seite stand.

Das wird auch für die vor uns liegenden Jahrzehnte gelten.
Blicken wir deshalb heute Abend gemeinsam nach vorn. Gehen wir weiter Hand in Hand. Gestalten wir unsere Zukunft gemeinsam.

Ich danke Ihnen.  
25.05.2003

weitere Informationen und Links unter:
http://www.auswaertiges-amt.de/www/...

Was hat sich seither geändert oder gar verbessert? 

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