Agenda 2010  Volltexte Dokumentation
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Arbeitsmarkt/Arbeitsrecht

Reform des Kündigungsschutzrechtes
Verkürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld
Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe
Das neue Arbeitsamt
Öffentlich geförderte Arbeit in Ostdeutschland

 
Reform des Kündigungsschutzrechtes

Der geltende Kündigungsschutz mindert die Bereitschaft von kleinen und mittleren Unternehmen, Arbeitsplätze zu schaffen. Es ist deshalb dringend notwendig, den "Kündigungsschutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie für die Unternehmen besser handhabbar" zu machen, so Bundeskanzler Gerhard Schröder in seiner Regierungserklärung vom 14. März 2003. "Insbesondere für Kleinbetriebe mit mehr als fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ... muss die psychologische Schwelle bei Neueinstellungen überwunden werden."

Bei der Reform des Kündigungsschutzes, die im Januar 2004 in Kraft treten soll, geht es darum, das Arbeitsrecht beschäftigungsfördernd zu erneuern. Dabei werden die Interessen der Unternehmen nach größerer Flexibilität, die sozialen Schutzbedürfnisse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Interessen der Arbeitssuchenden ausgewogen berücksichtigt.

 

 

Die Bundesregierung plant folgende Maßnahmen:

1. Schwellenwert für den Kündigungsschutz bei Kleinbetrieben flexibilisieren

Für Handwerksbetriebe und kleine Gewerbetreibende bis zu fünf Beschäftigten sollen Neueinstellungen erleichtert werden. Sie sollen künftig zusätzlich befristete Beschäftigte einstellen können, ohne dass der Kündigungsschutz ausgelöst wird.

 

 

2. Sozialauswahl bei betriebsbedingten Kündigungen rechtssicherer gestalten

  • Die Sozialauswahl wird auf drei Kriterien begrenzt: Dauer der Betriebs­zugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers. Die derzeitigen Regelungen zur Sozialauswahl sind eine Quelle großer Rechts­unsicherheit.
  • Bei der Sozialauswahl sind Ausnahmen vorgesehen, um die Leistungs­fähigkeit der Belegschaft und damit des Betriebes selbst zu erhalten. Der Arbeitgeber kann bestimmte Arbeitnehmer von der Sozialauswahl ausnehmen, wenn deren Weiterbeschäftigung wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur im berechtigten betrieblichen Interesse liegt.
  • Die gerichtliche Überprüfung der Sozialauswahl wird bei Vorliegen einer zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat - im Rahmen eines Interessenausgleichs - vereinbarten Namensliste auf grobe Fehlerhaftigkeit beschränkt. So wird die Rechtssicherheit für alle Beteiligten erhöht.

 

 

3. Kündigungsschutz um Abfindungsoption ergänzen

Bei einer betriebsbedingten Kündigung soll der Praxis neben der bisherigen Kündigungsschutzklage zusätzlich ein Verfahren für eine einfache, effiziente und kosten­günstige vorgerichtliche Klärung der Beendigung des Arbeitsverhältnisses angeboten werden: Der gekündigte Arbeitnehmer soll eine Abfindungsoption erhalten, die so auszugestalten sein wird, dass ihre wirtschaftliche Vertretbarkeit für die Unternehmen gewährleistet ist. Das macht die Kündigung für den Arbeitgeber berechenbar und vermeidet Prozesse, in denen es letztlich nur um die Abfindung geht.

 

 

4. Mehr Flexibilität für Existenzgründer

Existenzgründer schaffen Arbeitsplätze. Sie können jedoch in den ersten Jahren zumeist kaum abschätzen, welcher Personalbedarf mittel- und langfristig besteht, weil in dieser Phase der wirtschaftliche Erfolg besonders ungewiss ist. Neu gegründete Unternehmen erhalten deshalb in den ersten vier Jahren nach der Aufnahme der Erwerbstätigkeit die Möglichkeit, befristete Arbeitsverträge ohne sachlichen Befristungsgrund bis zur Dauer von vier Jahren abzuschließen. Dadurch wird Existenzgründern die Entscheidung zu Einstellungen erheblich erleichtert. Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer kann die zunächst befristete Beschäftigung eine Brücke in eine Dauerbeschäftigung sein.

 
Verkürzung der Bezugsdauer von Arbeitslosengeld

Der starke Anstieg der Arbeitslosenzahlen erfordert ein konsequentes Handeln für die Stärkung der Wachstumskräfte und ein rascheres Umsetzen der Wachstumsimpulse in neue Beschäftigung.

Hierzu müssen auch die Lohnnebenkosten gesenkt werden. Es geht darum, die Belastungen der "Menschen in den Betrieben und Büros durch Steuern und Abgaben zu senken", so Bundeskanzler Gerhard Schröder bei der Vorstellung der Agenda 2010 am 14. März 2003. Die Senkung der Lohnnebenkosten ist eine Voraussetzung, um den privaten Konsum und unternehmerische Investitionen anzukurbeln - die Grundlage für wirtschaftliches Wachstum und neue Arbeitsplätze.

Zur unbefriedigenden Beschäftigungsbilanz in Deutschland hat auch die im internationalen Vergleich relativ niedrige Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wesentlich beigetragen. Diese ist nicht zuletzt das Ergebnis der seit den 80er Jahren von den Tarifvertragsparteien und früheren Bundesregierungen praktizierten Politik der Frühverrentung. Dieser Trend soll gestoppt werden.

Deshalb ist es erforderlich, die Dauer des Anspruchs auf Arbeitslosengeld für ältere Arbeitslose zurückzuführen. Die Höchstbezugsdauer beim Arbeitslosengeld von derzeit 32 Monaten steht Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu, die das 57. Lebensjahr vollendet haben und eine Versicherungszeit von mindestens 64 Monaten innerhalb der letzten sieben Jahre vor der Arbeitslosmeldung nachweisen.

Konkret sind folgende Änderungen geplant:
  • Die Dauer des Anspruches auf Arbeitslosengeld wird grundsätzlich auf zwölf Monate begrenzt.
  • Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die das 55. Lebensjahr vollendet haben, können Arbeitslosengeld bis zu einer Dauer von höchstens 18 Monaten beanspruchen.

Die Änderungen sollen generell erst auf Ansprüche auf Arbeitslosengeld Anwendung finden, die 25 Monate (vom Beginn des 26. Monats) nach Inkrafttreten des Gesetzes entstehen. Hierdurch wird sowohl Vertrauensschutzgesichtspunkten als auch dem notwendigen Eigentumsschutz Rechnung getragen.

Die neuen Regelungen sollen zum 1. Januar 2004 in Kraft treten.

 
Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe

Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte am 14. März 2003 bei der Vorstellung der Agenda 2010: "Ich akzeptiere nicht, dass Menschen, die arbeiten wollen und können, zum Sozialamt gehen müssen, während andere, die am Arbeitsmarkt womöglich gar nicht zur Verfügung stehen, Arbeitslosenhilfe beziehen. Ich akzeptiere nicht, dass Menschen, die gleichermaßen bereit sind zu arbeiten, Hilfen in unterschiedlicher Höhe bekommen. Ich denke, das kann keine erfolgreiche Integration sein."

Um diesem Anspruch der Agenda 2010 gerecht zu werden, sollen Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zu einer neuen, einheitlichen Leistung zusammengeführt werden. Künftig sollen alle erwerbsfähigen Sozialhilfe- und Arbeitslosenhilfebezieher und Personen, die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft leben, Anspruch auf die neue Leistung haben. Erwerbsfähig sind - im Sinne der Definition des Rentenrechts - alle, die mindestens drei Stunden täglich arbeiten können. Für nicht erwerbsfähige Personen wird es weiterhin Sozialhilfe geben.

 

 
Die neue Leistung

Die neue Leistung soll weitgehend pauschaliert sein und durch eine verbesserte Freibetragsregelung mehr Anreize zur Arbeitsaufnahme geben. Der Freibetrag vom Erwerbseinkommen soll künftig auch die jeweilige Anzahl der Familienmitglieder berücksichtigen, die mit dem erwerbsfähigen Hilfeempfänger zusammenleben und somit der Einkommenssituation von Alleinerziehenden und Familien mit Kindern Rechnung tragen. Darüber hinaus sollen bei Beschäftigungsaufnahme verstärkt befristete Arbeitnehmerzuschüsse gewährt werden können. Bei der Vermögensanrechnung soll private Altersvorsorge bei der Feststellung der neuen Leistung in angemessenem Umfang frei bleiben. Für den Übergang vom Arbeitslosengeldbezug zu der neuen Leistung soll es einen auf zwei Jahre befristeten, degressiven Zuschuss geben. Auch hierbei wird die Familiengröße berücksichtigt.

Die neue Leistung umfasst als Grundleistung Leistungen zum Lebensunterhalt sowie die Eingliederungsleistungen. Sie soll auch Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung, sozialen Pflegeversicherung und Rentenversicherung beinhalten.

Einrichtung von Job-Centern

Für die Bezieher der neuen Leistung gibt es über die ebenfalls neu einzurichtenden Job-Center einen einheitlichen Zugang zu allen Leistungen: Beratung, Arbeitsvermittlung und Förderleistungen sowie ein einheitliches Transferleistungssystem. Entsprechend müssen die Hilfebezieher auch mitwirken und z.B. bei Ablehnung einer zumutbaren Arbeit mit Kürzungen der Leistung rechnen.

Entlastungen für Bund, Länder und Kommunen

Die bisherigen Doppelstrukturen bei der Vermittlung von Arbeitslosen und der Leistungsauszahlung werden beseitigt: Arbeitslosenhilfe gab es vom Bund, Sozialhilfe von den Kommunen; beide finanziert durch Steuermittel. Dies führte zu Fehlanreizen ("Verschiebebahnhöfe"). Durch eine Zusammenlegung beider Systeme zu der neuen einheitlichen Leistung für erwerbsfähige Langzeitarbeitslose kann der bürokratische Aufwand verringert und die Hilfe für die Betroffenen optimiert werden. Träger der neuen Leistung soll die Bundesanstalt für Arbeit sein.

Sonderprogramm für jugendliche Sozialhilfeempfänger

Im Vorgriff auf die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe plant die Bundesregierung ein Sonderprogramm für insgesamt 100.000 jugendliche Sozialhilfeempfänger bzw. Arbeitslosenhilfebezieher zwischen 15 und 25 Jahren, die langzeitarbeitslos oder von Langzeitarbeitslosigkeit bedroht sind. Der Programmschwerpunkt soll in strukturschwachen Regionen und somit vornehmlich in den neuen Bundesländern liegen. Aber auch Arbeitsamtsbezirke mit geringer Arbeitslosigkeit werden nicht ausgeschlossen. Darüber hinaus bietet das Programm den Kommunen und insbesondere den kommunalen Beschäftigungsträgern einen finanziellen Anreiz, um Arbeit und Qualifizierung für junge Sozialhilfeempfänger anzubieten.

 

 
Das neue Arbeitsamt

"Wir sind dabei, die Bundesanstalt für Arbeit so umzubauen, dass sie ihrer eigentlichen Arbeit nachkommen kann, nämlich Arbeitslose in Arbeit zu vermitteln und sie nicht bloß zu verwalten." So Bundeskanzler Schröder bei der Vorstellung der "Agenda 2010" am 14. März 2003. Der erforderliche Umbau der Bundesanstalt für Arbeit zu einem kunden- und wettbewerbsorientierten Dienstleister wird in zwei Stufen vollzogen":

Als erster Schritt wurde die Bundesanstalt für Arbeit aus der Behördenstruktur in einen Dienstleister mit privatwirtschaftlichen Führungsstrukturen umgewandelt. Mit einem dreiköpfigen Vorstand, dessen Mitglieder keine Beamte sind, und einem Aufsichtsrat entspricht die Struktur der Bundesanstalt einem modernen Unternehmenskonzept.

In einem weiteren Schritt werden im Laufe des Jahres 2003 die Strukturen der Bundesanstalt für Arbeit weiter optimiert. Festgeschrieben ist dies in den beiden Gesetzen für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, den so genannten Hartz-Gesetzen, die am 1. Januar 2003 in Kraft getreten sind. Dabei geht es um eine umfassende Modernisierung der Bundesanstalt, um mehr Leistungsfähigkeit, Serviceorientierung und um Kundennähe. Die Vermittlung von Arbeit soll schneller und besser werden; neue Beschäftigungsmöglichkeiten sollen erschlossen werden.

Die Maßnahmen im Einzelnen sind:

Bis Mitte 2003 werden die Arbeitsämter zu Job-Centern entwickelt. Die Arbeitnehmer sind verpflichtet, sich sofort nach Erhalt der Kündigung im Job-Center zu melden. Die Arbeitgeber müssen die Arbeitnehmer zur Stellensuche freistellen. Die doppelte Zuständigkeit von Arbeits- und Sozialamt wird abgeschafft. Arbeitsuchende wenden sich also nur noch an das Job-Center - Stichwort: Service aus einer Hand.

Die Job-Center werden zu Partnern der Unternehmen. Sie machen auf jede gemeldete Stelle passgenaue Personalvorschläge. Deshalb lohnt es sich auch für die Arbeitgeber, offene Stellen sofort den Job-Centern zu melden. Außerdem wird den Unternehmen eine Beschäftigungsberatung angeboten.

Zudem werden bei den Arbeitsämtern bis Mitte 2003 flächendeckend Personal-Service-Agenturen (PSA) eingerichtet. Die Personal-Service-Agenturen unterstützen die frühestmögliche Eingliederung von Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt. Dabei werden Zeitarbeit und Qualifizierung sinnvoll miteinander kombiniert.

Bei der Anstellung in einer Personal-Service-Agentur erhalten die Arbeitslosen einen Arbeitsvertrag, die Garantie einer fairen Entlohnung und den Schutz der gesetzlichen Sozialversicherung. In verleihfreien Zeiten unterstützt die Agentur - durch berufliche Qualifizierung und Weiterbildung - ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dabei, eine Beschäftigung außerhalb der PSA zu finden.

Das Verhältnis zwischen Bundesanstalt für Arbeit und Bundesregierung wird neu geregelt. An die Stelle gesetzlicher Regelungen und rechtlicher Weisungen tritt die Vereinbarung von Zielen. Die Zielerreichung wird durch ein effektives Controlling überprüft. Darüber hinaus finden Leistungsvergleiche der Arbeitsämter statt.
 
Öffentlich geförderte Arbeit in Ostdeutschland

Strukturschwache Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit vor allem in Ostdeutschland brauchen öffentlich geförderte Arbeit. So sollen soziale Härten für die Menschen in weniger entwickelten Regionen vermieden werden.

Bundeskanzler Gerhard Schröder hat in seiner Regierungserklärung zur "Agenda 2010" vom 14. März 2003 betont: "Einfach die aktive Arbeitsmarktpolitik, vor allem in den ostdeutschen Bundesländern zurückzufahren noch bevor die neuen Strukturen aufgebaut sind, das kann nicht unsere Lösung sein. Und das werden wir auch nicht tun. Deshalb wird es in Ostdeutschland auch in Zukunft noch einen zweiten Arbeitsmarkt geben müssen. Das gilt auch in anderen strukturell besonders benachteiligten Regionen."

Im Vorgriff auf die Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe plant die Bundesregierung ein Sonderprogramm für insgesamt 100.000 jugendliche Sozialhilfeempfänger bzw. Arbeitslosenhilfebezieher zwischen 15 und 25 Jahren, die langzeitarbeitslos oder von Langzeitarbeitslosigkeit bedroht sind. Der Programmschwerpunkt soll in strukturschwachen Regionen und somit vornehmlich in den neuen Bundesländern liegen. Aber auch Arbeitsamtsbezirke mit geringer Arbeitslosigkeit werden nicht ausgeschlossen.

Darüber hinaus bietet das Programm den Kommunen und insbesondere den kommunalen Beschäftigungsträgern einen finanziellen Anreiz, um Arbeit und auch Qualifizierung für junge Sozialhilfeempfänger anzubieten.

 

 
die anderen Themen der Agenda 2010  
Soziale Sicherungssysteme  
Rentenversicherung  
Gesundheitsreform  
Präventionsgesetz (Gesundheitsvorsorge)  

Wirtschaft

 
Neues Handwerksrecht  
Mittelstand  
Finanzen  
Investitionsprogramme der Kreditanstalt für Wiederaufbau  
Gemeindefinanzreform  

Bildung, Ausbildung und Innovation

 
Ausbildungsoffensive  
Schulische Bildung  
Forschungsetat  
Frühkindliche Förderung  
   

DISKUSSION

DGB Mai-Ansprachen vom 1.Mai 2003           Dialog-Lexikon