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        DISKUSSIONvon Sven Redaktion am
        9.Sept.2003 13:04
 
 Hallo E.T.,
 
 die Demonstrationsgröße (Du sprachst von "150" verirrten
        Seelen) entspricht in etwa dem Rahmen, in dem ich in größeren Abständen
        Nazi-Demos für duldbar halte.
 
 Allerdings ist das Demonstrationsrecht  ein politisches Grundrecht. Und
        zwar ein demokratisches. Deshalb ist prinzipiell unzumutbar, dass es
        Leuten gewährt wird, die Demokratie, also auch
        Pluralismus, 
        Meinungsfreiheit und  Demonstrationsrecht
        abschaffen wollen.
 
 Das dabei vorgespiegelte Wohlverhalten kann nicht darüber hinweg täuschen,
        was ihr eigentliches Anliegen ist.
 
 Eine von der Zumutbarkeit zu unterscheidende Frage ist die nach den
        rechtlichen Schlussfolgerungen. Und politische Total-Verbote können da
        mehr schaden als nutzen. Verfassungsstrafrecht bedeutet nämlich nicht,
        dass der Staat überall einzuschreiten hätte, wo Unrecht geschieht,
        sondern gebietet eine Handlungsweise, die auch auf die Folgen bedacht
        ist. Wenn also zu erwarten ist, dass sich das Unrecht durch die
        Rechtsverteidigung vergrößert, so darf der Staat das Unrecht entweder
        ungesühnt lassen oder wird versuchen, es zu zügeln = "Opportunitätsprinzip"
        im öffentlichen Recht:
 
 so würde ich Rechtsextremisten zumindest jegliche Symbolik und Parolik
        untersagen, sowohl die Veranstaltungsorte, Veranstaltungsdaten als auch
        die Inhalte betreffend, denn rein gar nichts braucht eine Demokratie zu
        erdulden, was auch nur ansatzweise geeignet ist, für Faschistisches zu
        werben oder auszuleben.
 
 Die von Steine werfenden Gegendemonstranten geübte  Selbstjustiz ist
        strafbar und wird verfolgt, denn bei unmittelbarer Gefährdung für
        Leben und Eigentum muss der Staat eingreifen = "Legalitätsprinzip".
 
 Spannender wird es bei der Frage der Zulässigkeit von Demonstrationen,
        wenn diese strafbare Reaktionen erwarten lassen.
 
 Zunächst gilt, dass Demonstranten und Gegendemonstranten das gleiche
        Recht zum Demonstrieren haben.
 
 Sodann gilt ebenso "grundsätzlich", dass der Staat das
        Demonstrationsrecht in der Weise zu "gewähren" hat, dass
        friedliches Demonstrieren möglich ist, also auch nicht von
        unfriedlichen Gegendemonstrationen gefährdet wird. Dazu kann der Staat
        Auflagen für die Durchführung der Demonstrationen erteilen,
        insbesondere die Demonstrationsrouten und Abstände betreffend. Ist die
        Sicherheit durch solche Auflagen nicht zu gewährleisten, so kann die
        Gegendemonstration verboten werden, aber auch die erst angemeldete
        Demonstration, denn das Demonstrationsrecht ist kein unumschränktes
        Recht
 und der Staat trägt für die Sicherheit der Gesellschaft insgesamt eine
        Verantwortung und nicht nur gegenüber Demonstranten. Tatsächlich geht
        die allgemeine Sicherheit und Ordnung dem Demonstrationsrecht vor, denn
        wäre das nicht so, so würde das Demonstrationsrecht die Sicherheit und
        Ordnung, letztlich damit auch den demokratischen Rechtsstaat schädigen,
        aushöhlen dürfen, was wiederum das Demonstrationsrecht selbst und in Gänze
        beseitigen würde, was wiederum unsinnig wäre, "dafür" das
        Demonstrationsrecht beanspruchen zu wollen.
 
 Solche Behördenentscheidungen sind auf dem Rechtsweg anfechtbar und häufig
        mit Erfolg, aber Richter brauchen auch nicht den eigenen Kopf
        hinzuhalten, was ich übrigens (etwas) ändern würde:
        Anwesenheitspflicht für den urteilenden Richter (bei Zeitausgleich).
 
 Extremisten aller Seiten fehlt es indessen am Verstand für die
        demokratische Ordnung. Deshalb überbetonen sie diejenigen Rechtsansprüche,
        die sie zur Bekämpfung dieser Ordnung nutzen können.
 
 ./.
 
 Die "150" Rechtsextremisten wären also besser zuhause
        geblieben, wenn ihnen etwas an unserer Ordnung läge. Im Interesse der
        eigenen Gesundheit, der Demonstrationsfreiheit und der Demokratie
        insgesamt. Aber der "richtige Geist" kommt ihnen ohnehin nur,
        wenn es Gegendemonstranten gibt. Darum sollte man ihnen diese
        Entscheidung (zuhause zu bleiben) eben öfter mal abnehmen.
 
 Grüße von Sven
 Redaktion                       
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