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              | johnson
                hat Folgendes geschrieben: |  
              | Die Tatsache, dass
                der Mensch unabhängig von Gott entscheiden wollte, was gut und
                was Böse ist, bedingt die heutigen Probleme, ... |  Hallo Johnson,
 die Hinwendung
        des Menschen zu Gott kann sein wie die Hinwendung des Verbrechers zu
        seinem nächsten Opfer, denn alle Religiosität steht in Abhängigkeit
        eigener Interpretation des göttlichen Willens, des eigenen Wollens und
        der eigenen Konsequenzfähigkeit.
 Was gut oder böse ist, hängt nicht von Glauben und Bekenntnissen
        (=kann auch zweierlei sein) ab, sondern vom Respekt für den anderen und
        der Wirkung.
 
 Die Moralsuche vieler nichtreligiöser Menschen "unabhängig von
        Gott" kann so viel Gutes haben wie die Moralsuche der religiösen
        Menschen. Das sollten Religiöse den Nichtreligiösen nicht absprechen
        wollen, denn es wäre unwahr und diffamiert die Atheisten, Agnostiker,
        z.B. auch mich.
 
 In anderem Kontext beschwor ich gegen den "Kampf der Kulturen"
        die "Universalität der Aufklärung", d.h. vorrätig oder
        intendiert in allen nach Gerechtigkeit strebenden Ideologien und
        Religionen, ausgenommen denen, die bloß nach Selbstbevorzugung
        trachten, was allerdings wiederum in allen Ideologien und Religionen
        passieren kann, wenn in ihnen die Kräfte der Selbstüberschätzung und
        Intoleranz extremistisches Format annehmen.
 
 Darum werbe ich für einen Dialog der Ideologien, Religionen, Kulturen.
        Fast jeder tut das - und Dialog ist möglicherweise das bedeutendste
        Modewort unserer Zeit, aber nur wenige sind wirklich dazu bereit, während
        viele nur missionieren und die Chance des Dialogs verpassen, die
        Wertegemeinsamkeit zu erfahren.
 
 Ohne die Kenntnis der Wertegemeinsamkeit ist jedoch keine
        Wertegemeinschaft möglich. Und ohne Wertegemeinschaft letztlich kein
        Frieden, allenfalls Ruhe der Waffen.
 
 Zugespitzt formuliert und als Hilfskonstruktion für jene, die vom
        Missionieren nicht lassen können:
 
 Anstelle des Aufrufs zur Mission sollte der Aufruf zur wechselseitigen
        Mission sein, aber besser wäre der wirkliche Dialog, also zuhörender,
        mitteilender und lernender Respekt vor den anderen Ideen- und
        Glaubenssystemen, mit denen es gemeinsam das Leben vor dem "Kampf
        der Kulturen" zu bewahren gilt.
 
 Der Mensch, die Gerechtigkeit, die Liebe, das Gute kann gegen den Krieg
        nur gewinnen, indem er vermieden wird. Einen Krieg gewinnen kann nur,
        wer ihn vermeidet, ansonsten ist es Verrat der Überlebenden an den
        Opfern.
 
 Also ganz gleich, ob man Gutes und Böses "unabhängig" oder
        "abhängig" von Gott definiert, denn es definieren letztlich
        immer nur interpretierende Menschen aus guten oder schlechten Motiven.
 
 Was du als eine Tatsache ansiehst, steht vielen historischen und
        aktuellen Geschehnissen entgegen, es sei denn, dass z.B. der Inquisition
        oder islamistischen Selbstmordattentätern die religiöse Motivation in
        Gänze abzusprechen wäre, doch das wäre viel eher der Streit zwischen
        Religiösen um die wahre Gottgefälligkeit, während es kein Streit
        zwischen Religiösen und Atheisten ist.
 
 Der Atheismus ist zwar "Gottlosigkeit", was sonst, aber in
        vielen großen Streitfragen bezichtigen sich die Religiösen gegenseitig
        der Gottlosigkeit und können sich stattdessen allenfalls religiösen
        Ungehorsam und religiösen Irrtum vorwerfen.
 
 Angemessene Aussagen zu machen, ist schwierig. Auch ich neige nicht
        selten dazu, religiösen Menschen ihre religiösen Motive abzusprechen,
        zumal ich sie oft durch andere Motive überlagert oder bedingt sehe.
 Immerhin gibt es das psychologische Phänomen der Rationalisierung, also
        den Motivwechsel, Perspektivwechsel, die Verklärung von Motiven und
        Sachverhalten als Rechtfertigungsversuch.
 
 Würde mich heute jemand fragen, ob George W. Bush ein Christ sei, so müsste
        ich das bejahen, obwohl mir sein politisches Handeln äußerst missfällt
        und unchristlich erscheint, aber "unchristlich" ist eigentlich
        falsch formuliert, denn gemeint ist "schlechtchristlich",
        solange sich Herr Bush zum Christentum bekennt, denn einen gegenteiligen
        Glauben könnte ich ihm nicht nachweisen.
 
 Ich wage kaum, dass ich mir ältere Texte ansehe, denn ich vermute, dass
        auch ich unter dem Eindruck der Geschehnisse unsauber formulierte, was
        jedoch immerhin einen Grund darin hat, dass mir die Kompliziertheit
        weniger aufgeklärt als bewusst war.
 
 Und trotzdem fragt sich angesichts der Ereignisgeschwindigkeit und Kräfteverhältnisse
        auch immer, wie viel Umsicht abverlangt werden kann, wie viel
        Kompliziertheit eingestanden werden muss, um überhaupt in der Zeit zu
        bestehen. Daher dann auch meine Gnade mit meinen eigenen Texten:-),
        ansonsten müsste ich schweigen.
 
 Liebe Grüße von Sven15.02.2006      
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