Erster Golfkrieg  Irak/Iran 1980 - 1988

Der Begriff Erster Golfkrieg bezeichnet den Grenzkrieg zwischen dem Iran und dem Irak, der vom 22. September 1980 bis zum 20. August 1988 andauerte (auch Iran-Irak-Krieg; im Unterschied zum Irak-Kuwait-Krieg, dem zweiten Golfkrieg).

Er endete ohne ein Ergebnis und mit hohen menschlichen und wirtschaftlichen Verlusten auf beiden Seiten.

Wenn der Vietnamkrieg auf die US-Involvierung beschränkt wird, war der Erste Golfkrieg der längste konventionelle Krieg des 20. Jahrhunderts.

Vorgeschichte

Obwohl der Erste Golfkrieg hauptsächlich ein Kampf um die Vorherrschaft im Persischen Golf war, lagen die Wurzeln des Konflikts viele Jahrhunderte zurück. Sie finden ihren Ursprung in der Rivalität zwischen Mesopotamien (Gebiet des heutigen Iraks) und Persien (Iran). Vor der Ausdehnung des Osmanischen Reiches gehörten Teile des Zweistromlandes dem von der Aq Qoyunlu-Dynastie regierten Persien an. Das aufsteigende Osmanische Reich unter Murad IV. annektierte das Gebiet des heutigen Iraks im Jahre 1638. Der schwache safawidische Herrscher von Persien, Safi I. konnte dies nicht verhindern. So entstand ein lange andauernder Grenzkonflikt: Zwischen 1555 und 1918 unterzeichneten Persien und die Türkei insgesamt 18 Abkommen zur Neuregelung des Grenzverlaufs. Der moderne Irak entstand durch britische Einflussnahme und den endgültigen Zusammenbruch des Osmanischen Reiches. Somit erbte der Irak die Grenzkonflikte an seiner Nordgrenze.

Streit um Chuzestan

Der genaue Ursprung des Ersten Golfkrieges lag im Kampf um die Herrschaft über die rohstoffreiche Provinz Chuzestan. Chuzestan war in historischen Zeiten ein unabhängiges nicht-semitisches Königreich mit Hauptstadt Susa und Wiege des iranischen Reich Elam.

Nachdem Abd al-Karim Qasim durch einen Staatsstreich die Herrschaft im Irak übernommen hatte, erklärte er am 18. Dezember 1959: „We do not wish to refer to the history of Arab tribes residing in Al-Ahwaz and Mohammareh [Khorramshahr]. The Ottomans handed over Mohammareh, which was part of Iraqi territory, to Iran.“ (Übers.: Wir möchten uns nicht auf die Geschichte der arabischen Stämme in Al-Ahwaz und Mohammerah [Chorramschahr] beziehen. Das Osmanische Reich hat Mohammerah, das Teil des irakischen Territoriums war, an den Iran übergeben.) Iraks Unzufriedenheit über den Verlust des erdölreichen Chuzestans beschränkte sich nicht nur auf rhetorische Kundgebungen. Der Irak begann, abtrünnige Bewegungen in Chuzestan zu unterstützen und brachte seine Territorialansprüche in einer Sitzung der Arabischen Liga vor. Der erhoffte Erfolg blieb jedoch aus. Der Irak kam, besonders nach dem Tod des ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser und dem Aufstieg der Baath-Partei, bestehenden Abkommen mit dem Iran nicht nach und strebte die Rolle des Führers der Arabischen Welt an.

1969 erklärte der Vize-Premier des Irak: „Iraq's dispute with Iran is in connection with Arabistan (Chuzestan) which is part of Iraq's soil and was annexed to Iran during foreign rule.“ (Übers.: Iraks Auseinandersetzung mit dem Iran bezieht sich auf Arabistan [Chuzestan], das Teil des irakischen Bodens ist und während der Fremdherrschaft vom Iran annektiert wurde.) Bald darauf sendeten irakische Radiosender gezielt nach Chuzestan und ermunterten iranische Araber und sogar Belutschen, sich gegen die iranische Regierung zu erheben. Fernsehsender aus Basra zeigten die Provinz Chuzestan als Iraks neue Provinz namens „Nasiriyyah“ und benannten alle iranischen Städte in arabische Namen um.

1971 brach der Irak alle diplomatischen Beziehungen zum Iran ab, nachdem der Irak nach dem Abzug der Briten erfolglos die Vorherrschaft über die Inseln Abu Musa, Tunbe Bozorg und Tunbe Koochak gefordert hatte. Nachdem Beschwerden bei der Arabischen Liga und den Vereinten Nationen erfolglos blieben, verwies der Irak 70.000 Iraner des Landes.

Der Grenzfluss Schatt al-Arab

Einer der Faktoren, der zu Feindseligkeiten zwischen den beiden Parteien beigetragen hatte, war der Streit um die Schifffahrtsrechte des Schatt al-Arab, dem Grenzfluss und wichtigen Transportweg für den Ölexport beider Länder. 1975 unterstützte der amerikanische Außenminister Henry Kissinger den Shah von Persien Mohammad Reza Pahlavi in seinem Anspruch auf den Schatt al-Arab, der zu dieser Zeit unter irakischer Kontrolle war. Kurz darauf unterzeichneten der Irak und der Iran das Abkommen von Algier, in dem der Irak große territoriale Zugeständnisse machte (einschließlich des Schatt al-Arabs) und im Gegenzug dafür die Normalisierung der Beziehungen anstrebte.

Der Irak hatte ein Jahr zuvor eine militärische Auseinandersetzung mit dem Iran begonnen, die für beide Seiten mit hohen Verlusten endete. Der Iran versuchte, ähnlich wie der Irak im Chuzestan, seinen Gegner zu destabilisieren und ermutigte kurdische Nationalisten in ihren Unabhängigkeitsbestrebungen. Daraufhin wurde einige Monate vor Kriegsbeginn die iranische Botschaft in London durch vom Irak subventionierte Terroristen angegriffen. Das Ereignis wurde als die Belagerung der iranischen Botschaft bekannt, die durch das Eingreifen des britischen SAS am 5. Mai 1980 beendet wurde.


Erstarkender Irak, zerrütteter Iran 

Der Präsident des Irak, Saddam Hussein, strebte den Aufstieg seines Landes zu einer starken regionalen Macht an. Ein erfolgreicher Einmarsch in den Iran würde den Irak zur dominierenden Macht am Persischen Golf und seinem lukrativen Ölmarkt machen. Dieses ehrgeizige Ziel lag nicht außer Reichweite. Säuberungsaktionen in den Offiziersrängen (einschließlich zahlreicher Exekutionen durch Sadegh Chalchali, dem postrevolutionären durch die Schari'a legitimierten Herrscher des Landes), sowie Ersatzteilmangel für die aus Amerika stammende Militärtechnik hatten die einstige Handlungsfähigkeit und Schlagkraft des Irans stark verringert. Der Großteil der iranischen Streitkräfte bestand aus zwar entschlossenen, jedoch schlecht bewaffneten Milizen. Die Verteidigungsanlagen am Schatt al-Arab waren ebenfalls unzulänglich. Der Irak genoss im Gegenzug erhebliche diplomatische, militärische und wirtschaftliche Unterstützung seitens der Sowjetunion. Er bezog außerdem finanzielle Hilfe von anderen arabischen Staaten (vornehmlich dem ölreichen Kuwait und Saudi-Arabien). Zusätzlich wandten sich Europa (vor allem Frankreich), Deutschland und die Vereinigten Staaten von Amerika dem Irak zu und belieferten ihn mit Waffen, Aufklärungsdaten und ökonomischen Hilfsgütern.

Saddam Hussein spielte häufig auf die islamische Expansion im Iran an und propagierte somit seine „anti-persische“ Haltung. Am 2. April 1980, ein halbes Jahr vor Kriegsausbruch, zog Saddam Hussein zum Beispiel während seines Besuchs in der al-Mustansiriyyah-Universität in Bagdad Parallelen zur persischen Niederlage im 7. Jahrhundert in der Schlacht von Kadesia (auch Al-Qadisiyah) und erklärte: „In eurem Namen, Brüder, und im Namen der Iraker und aller Araber sagen wir diesen [iranischen] Feiglingen und Zwergen, die sich für Al-Qadisiyah rächen wollen, dass der Geist von Al-Qadisiyah, sowie das Blut und die Ehre der Menschen von Al-Qadisiyah, die ihre Sendung auf ihren Speerspitzen trugen, größer ist als ihre Bemühungen.“

Die Nachwirkungen der islamischen Revolution von 1979 im Iran waren ausschlaggebend für die Auseinandersetzung. Ayatollah Chomeini drohte damit, die islamische Revolution auf den Rest des Nahen Ostens auszubreiten, obwohl der Iran militärisch nicht im geringsten dazu in der Lage gewesen wäre. Der Großteil der Armee des Shahs war bereits aufgelöst worden.
Das Lager Chomeinis verabscheute besonders den Säkularismus der irakischen Baath-Partei und hoffte, dass die Schiiten im Irak, sowie in Kuwait und Saudi-Arabien dem iranische Beispiel folgen und sich gegen ihre Regierungen auflehnen würden. Diese Hoffnung wurde durch eine gezielte Propaganda des Irans unterstützt, die die schiitische Minderheit im Irak zum Putsch aufrief. Gleichzeitig stellte die aufgrund der Revolution im Iran erfolgte Destabilisierung des Landes und Abwendung von der westlichen Welt ein lohnendes Ziel für den Expansionsdrang Saddam Husseins dar. Er war außerdem davon überzeugt, dass die iranischen Sunniten eher einem starken und von Sunniten geführtem Irak folgen würden, als dem von Schiiten dominierten Iran.

So traten beide Seiten mit der Überzeugung in den Krieg ein, dass die Bevölkerung des südlichen Teils des jeweils gegnerischen Landes (Sunniten im Iran und Schiiten im Irak) sich ihnen anschließen würden. Keine der Bevölkerungsgruppen schien jedoch die nationalistischen Bewegungen oder den zentralistischen Staatsapparat den eigenen historischen clanbezogenen Verbindungen und Differenzen vorzuziehen. Letztlich waren beide Staaten überrascht, dass die jeweils erhofften Verbündeten sich gegen sie wandten.

Der Bericht des UN-Generalsekretärs vom 9. Dezember 1991 (S/23273) stellte ausdrücklich die „Aggression des Iraks gegen den Iran“ durch das Auslösen eines Krieges und die Störung der internationalen Sicherheit und des Friedens fest.

Kriegsverlauf

Unmittelbar zu Beginn des ersten Golfkrieges fand am 7. Juni 1981 ein israelischer Luftangriff mit zwei F-16-Kampfflugzeugen auf den im Bau befindlichen irakischen Atomreaktor in Osirak statt, bei dem ein französischer Techniker getötet wurde. Israel begründete diesen Militärschlag gegen den Irak damit, dass es sich um eine vorbeugende Maßnahme gegen das irakische Atomwaffenprogramm gehandelt habe, da Israel den Reaktor im Verdacht hatte, weniger der zivilen Stromgewinnung als vielmehr dem Bau einer irakischen Nuklearwaffe zu dienen. Bis heute ist unklar geblieben, ob der Reaktor zivilen oder auch militärischen Zwecken dienen sollte.

1984 begann im Persischen Golf der sogenannte Tankerkrieg, der im Jahr 1987 auf seinem Höhepunkt anlangte und in dessen Verlauf mindestens 500 Tanker beschädigt oder zerstört wurden. Nachdem Kuwait 1986 um Hilfe für seine Tanker gebeten hatte, flaggten die USA elf Tanker um und beschützte die nun amerikanischen Schiffe in der Operation Earnest Will.

1985 kam es zum so genannten Städtekrieg, dem systematischen Raketen- und Artillerie-Beschuss iranischer Städte durch den Irak, wodurch viele Zivilisten getötet wurden.

Der Krieg war durch extreme Brutalität seitens des Irak gekennzeichnet, einschließlich des Einsatzes chemischer Waffen (Tabun, Senfgas) (1984), die später auch gegen die eigene kurdische Zivilbevölkerung sowie Aufstände in grenznahen Gebieten zum Einsatz kommen sollten. Wegen der schlechten Beziehungen Irans zur internationalen Gemeinschaft kam es nur zu verhaltenen Protesten gegen das irakische Vorgehen.

Die Taktik des Krieges ähnelte der des Ersten Weltkrieges, mit opferreichen Wellenangriffen und Grabensystemen auf beiden Seiten (siehe Grabenkrieg). Im Juni 1982 gewann ein erfolgreicher iranischer Gegenschlag die Gebiete zurück, die zuvor an den Irak verloren worden waren. Der Irak bot die Beendigung der Feindseligkeiten an, da ein vollständiger iranischer Sieg möglich erschien. Da der Iran darauf nicht einging, verlängerte sich der Krieg um weitere sechs Jahre.

Die anhaltenden Feindseligkeiten führten, wegen der Präsenz westlicher Marinekräfte zum Schutz der Golfküste, zum Tod von 37 US-Matrosen bei einem irakischen Raketenangriff am 17. Mai 1987 auf die US-Fregatte „Stark“ sowie zum Abschuss eines iranischen Passagierflugzeuges durch den US-Kreuzer „Vincennes“ am 3. Juli 1988, bei dem alle 290 Passagiere und die Besatzung getötet wurden.

Nachdem die USS Samuel B. Roberts (FFG-58) im April 1988 auf eine iranische Seemine lief, starteten die USA Operation Praying Mantis, die die Zerstörung zweier iranischer Ölplattformen sowie mehrerer Schiffe zur Folge hatte.

Für Empörung und Entsetzen vornehmlich in der westlichen Öffentlichkeit sorgte insbesondere auch der umfangreiche Einsatz von Minderjährigen in iranischen Freiwilligenverbänden (Basitschi), die u.a. bei der Panzerbekämpfung mit Haftminen eingesetzt wurden.


Ergebnis

Der Krieg war für beide Länder verhängnisvoll. Er kostete schätzungsweise eine Million Menschen das Leben und warf die ökonomische Entwicklung durch stagnierende Ölexporte zurück. Der Irak hatte eine erhebliche Schuldenlast bei seinen ehemaligen arabischen Unterstützern abzutragen, was mit zum folgenden Überfall Saddam Husseins auf Kuwait am 2. August 1990 beitrug.

Am Ende des Krieges blieben die Grenzen unverändert. Zwei Jahre später, während des Zweiten Golfkrieges mit den USA, den Briten und anderen westlichen Mächten, unmittelbar nach der Eroberung Kuwaits, erkannte Saddam Hussein die iranischen Rechte über die östliche Hälfte des Schatt el Arab an, was eine Anerkennung des Status quo bedeutete, dem er zehn Jahre zuvor die Zustimmung verweigert hatte.

Der Krieg hätte die islamische Republik des Irans schwächen sollen. Im Rückblick lässt sich jedoch sagen, dass erst der Krieg die islamische Republik in ihrem Machtbereich gefestigt hat. Die Bevölkerung stellte sich im Kampf gegen den Irak hinter die neuen Machthaber, welche zuvor heftig umstritten waren. Durch die Verhängung des Kriegsrechts konnte zudem effektiver gegen die Opposition vorgegangen werden. Die internationale Isolation des Iran und der daraus resultierende Mangel an Nachschub und Ersatzteilen, führte zum Aufbau einer eigenen Rüstungsindustrie, die heute zahlreiche, selbst (weiter-)entwickelte Waffensysteme in Serie produzieren kann.

Quelle + mehr >> http://de.wikipedia.org/wiki/Erster_Golfkrieg (20070208)


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