Erster Ökumenischer Kirchentag 2003 - Eine Bilanz | |
Ratsvorsitzender
zieht positives Resümee des Kirchentags 200.000 haben „Alternative zu aller Resignation“ erlebt 31. Mai 2003 Eine positive Bilanz des ersten Ökumenischen Kirchentags hat der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Manfred Kock, bei der abschließenden Pressekonferenz am Samstag in Berlin gezogen. „Es war wichtig, dieses Treffen als Fest miteinander zu feiern, weil so am besten zum Ausdruck kommt, dass es um das Gelingen unseres Lebens geht.“ Der Kirchentag mit über 200.000 Teilnehmenden habe ein deutliches Signal gesetzt für mehr Gemeinschaft zwischen den Menschen und den Zusammenhalt innerhalb der Gesellschaft. Während der fünf Tage in Berlin seien viele Menschen über gesellschaftliche Grenzen hinweg miteinander ins Gespräch gekommen: „Ich weiß, wir haben die richtigen Antworten noch längst nicht alle gefunden, aber es ist gut, dass wir diesen einen Schritt miteinander gegangen sind,“ erklärte Kock vor Journalistinnen und Journalisten. Der erste Ökumenische Kirchentag habe neue Maßstäbe gesetzt. Dies sei schon deutlich, auch wenn noch niemand einen Überblick über die zahlreichen Veranstaltungen haben könne. Kock bezeichnete es als faszinierend, mit welcher Konzentration etwa bei den morgendlichen Bibelarbeiten gearbeitet wurde. So sei beim Kirchentag das Feiern und die gemeinsame Suche nach der Wahrheit verbunden gewesen. Dies zeichne das Treffen in Berlin aus. Berlin, 31. Mai 2003 Es folgt das Statement des EKD-Ratsvorsitzenden Manfred Kock:
Statement des Ratsvorsitzenden der EKD, Manfred Kock, im Rahmen der Pressekonferenz beim 1. Ökumenischen Kirchentag am 31. Mai 2003 Der erste Ökumenische Kirchentag in Berlin ist ein Meilenstein in der bewegten Geschichte unserer Kirchen. 200.000 Christinnen und Christen haben ein positives Signal gesetzt für mehr Gemeinschaft untereinander und für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Mitten in einer Zeit großer Verunsicherung haben wir ein Fest gefeiert. Manche fragen, ob es denn erlaubt sei, die Sorgen und Nöte mit Fröhlichkeit zu überdecken. Ich sage: das ist das Geschenk des Glaubens, dass wir nicht aufgehen in den Sorgen dieser Welt. Menschen, deren Leben durch Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit oder wirtschaftliche Benachteiligung eingeschränkt ist, waren mit dabei. Sie konnten auf ihre Situation hinweisen und mit verantwortlichen Politikern diskutieren. Ihre Teilnahme wurde durch andere ermöglicht, die den Teilnehmerbeitrag gespendet oder in anderer Form mitfinanziert hatten. Insofern stellt der Kirchentag ein Beteiligungsmodell dar. Es war wichtig, dieses Treffen als Fest miteinander zu feiern, weil so am besten zum Ausdruck kommt, dass es um das Gelingen unseres Lebens geht. Der Ernsthaftigkeit der Diskussionen, der spirituellen Qualität der Gottesdienste und Bibelarbeiten hat das keinen Abbruch getan, im Gegenteil. Das Leben war gegenwärtig in der Liturgie und die Liturgie war präsent mitten im Leben. In diesen Wochen und Monaten, die geprägt sind durch die Debatten um Frieden und Gerechtigkeit und in denen mit zunehmender um Reformen in unserer Gesellschaft gestritten wird, hat der Kirchentag gezeigt: Es gibt Alternativen zu Verbissenheit auf der einen Seite und zu Resignation auf der anderen. Fröhlichkeit und Tiefgang das ist kein Widerspruch, sondern es ist ein Merkmal unserer christlichen Existenz. Wir haben Jugendliche beobachtet, die Spaß haben wollten und ihn auch bekommen haben, die aber gleichzeitig mit Witz und Kreativität über die Zukunft ihrer elterlichen Landwirtschaftsbetriebe nachgedacht haben. Dabei werden existenziellen Fragen eben so ernst genommen wie die Botschaft der Bibel. Etwa bei der „Langen Nacht der Lieder“ am Brandenburger Tor, wo eben 30.000 zumeist Jüngere nicht nur Gerhard Schöne, Clemens Bittlinger und Hartmut Engler gelauscht haben, sondern ein bisschen verstanden haben, was es heißt, „wenn Brüder wieder Brüder sind“. Um soziale Reformen wurde mit Verantwortlichen aus der Wirtschaft darum gerungen, was es heißt, dass die Zukunft in der Selbstbeschränkung liegt und dass Verzicht etwas heilsames sein kann. Ich selber habe beispielsweise am Stand der Ruhrkirchen auf der Agora mit Vertretern eines Aluminiumkonzerns diskutiert über die Frage „Was heißt verantwortungsbewusstes Handeln in einem Unternehmen?“– da wird handgreiflich, welche Entscheidungen die Menschen erwarten. Auch die Zukunft Europas und die Aufgaben der Kirchen in der erweiterten Gemeinschaft der europäischen Staaten hat diesen ersten Ökumenischen Kirchentag beschäftigt. Die feierliche Unterzeichnung der Charta Oecumenica der Europäischen Kirchen war ein eindrucksvoller Höhepunkt dieses Treffens, hier wurde deutlich, dass unsere Kirchen ihrem Auftrag in einem künftigen Europa nur miteinander gerecht werden können. „Wir haben die Wahrheit gesucht“ – die Wahrheit in gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fragen, die Wahrheit in theologischen Fragen, die Wahrheit in allen Fragenkomplexen, die Menschen betreffen. Ich weiß, wir haben die richtigen Antworten noch längst nicht alle gefunden, aber es ist gut, dass wir diesen einen Schritt miteinander gegangen sind: Politiker und Schüler, Arbeitslose und Beamte, Frauen und Männer, Pfarrer und Menschen mit großer Distanz zur Kirche. Wir haben miteinander gerungen und wir haben miteinander gefeiert – 200.000 Menschen in einer Stadt und die vielen Berlinerinnen und Berliner, die mitgefeiert haben. Nicht jeder konnte alles erleben, was in diesen Tagen geschehen ist. Nach der Heimkehr aus Berlin wird es Nacharbeit nötig sein und Vertiefung. Was immer dieser Kirchentag war, welche langfristigen Auswirkungen er auch immer haben wird, eines ist sicher: Es hat sich für unser Selbstverständnis und unser Vertrauen in die Zukunft gelohnt, dass wir miteinander gefeiert haben. Keiner kann heute schon behaupten, er oder sie habe in diesem Moment schon einen wirklichen Überblick über die zahlreichen Veranstaltungen. Auch das Präsidium und die vielen Mitarbeitenden haben nur einen subjektiven und partikularen Eindruck – wie viel mehr ich, der ich nur an wenigen Veranstaltungen teilnehmen und mitwirken konnte. Wie also soll ich heute schon dieses Ereignis einschätzen? Manche werden das sehr kritisch tun. Wir sind dies von früheren Kirchentagen gewohnt. Die Kirchentage leben von der Verwendung kräftiger Farben und Töne, da kann dann schon mal eine Farbmischung etwas schrill ausfallen oder unter den Wohlklang der Lieder mischt sich mal ein schräger Ton. Jedenfalls ist es faszinierend, wenn Tausende von Menschen so viel an geistiger Konzentration aufwenden, um einer sorgfältigen, ausführlichen Auslegung eines biblischen Textes zu lauschen. Die Verantwortlichen im Deutschen Evangelischen Kirchentag und im Zentralkomitee der Katholiken, die ich zu diesem gelungenen Treffen herzlich beglückwünschen möchte und denen ich von Seiten des Rates der EKD herzlich danke für den Mut und die Beharrlichkeit, die sie aufgewendet haben, um dieses Treffen zu verwirklichen, sie werden den ersten Ökumenischen Kirchentag nun zusammenfassend auswerten müssen. Spannend wird die Frage sein, wie sich dieser erste gemeinsame Kirchentag auf die beiden traditionellen konfessionellen Treffen auswirken wird. Wir werden gerne von unserer Seite mitberaten und es an Unterstützung nicht fehlen lassen. Ich bin davon überzeugt, auch wenn der Deutsche Evangelische Kirchentag und der Katholikentag schon immer ökumenische Veranstaltungen waren, sie werden nach Berlin anders sein, den Berlin hat neue Maßstäbe gesetzt. |
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