Presseerklärung 18.06.2009
Zum Auftakt der Buchtage Berlin 2009 in Berlin gibt der Vorsteher des Börsenvereins, Dr. Gottfried Honnefelder, bekannt, dass der Stiftungsrat des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels den italienischen Schriftsteller Claudio Magris zum diesjährigen Träger des Friedenspreises gewählt. Die Verleihung findet während der Frankfurter Buchmesse am Sonntag, 18. Oktober 2009, in der Paulskirche statt und wird live im Zweiten Deutschen Fernsehen übertragen. Der Friedenspreis wird seit 1950 vergeben und ist mit 25.000 Euro dotiert.
In der Begründung des Stiftungsrats heißt es: »Den Friedenspreis des
Deutschen Buchhandels verleiht der Börsenverein im Jahr 2009 Claudio Magris und
ehrt damit den italienischen Literaturwissenschaftler, Essayisten und Romancier,
der sich wie kaum ein anderer mit dem Problem des Zusammenlebens und
Zusammenwirkens verschiedener Kulturen beschäftigt hat. In zahlreichen Werken
erzählt er von der Vielfalt der Systeme und Sprachen Mitteleuropas, von Eigentümlichkeiten
und Gegensät-zen. Erzählendes und Reflektierendes, Faktisches und Fiktionales
verbindet Claudio Magris in seiner ganz eigenen literarischen Weise und hebt
dabei hervor, wie kreativ die Verschiedenheit sein kann, wenn sie denn in ihrer
Eigenart geachtet und beachtet wird. Dies führt zu einem Verständnis, das ihn
zu einem streitbaren Gegner von Ausgrenzung und kulturellem Dominanzdenken
gemacht hat. Claudio Magris tritt für ein Europa ein, das nicht allein unter ökonomischen
Gesichtspunkten sein Selbstverständnis erreicht, sondern seine geschichtliche
und kulturelle Tradition und Vielfalt bedenkt und darauf beharrt. Es ist das
Verständnis eines Humanismus des Einzelnen, der von der mitteleuropäischen
Kulturtradition abgeleitet ist und wird dem gerecht, was Claudio Magris ‚unser
ironisches Gefühl für das Vielfältige’ nennt.«
Claudio Magris, geboren am 10. April 1939 im italienischen Triest, zählt zu den
bedeutendsten Germanisten und Kulturpublizisten Italiens und gehört in Europa
zu den wichtigsten Literaten und Essayisten. Nach dem Studium an der Universität
von Turin und in Freiburg/Breisgau mit anschließender Promotion habilitiert
Magris 1966 in Deutscher Literatur. Als Professor für Deutsche Sprache und
Literatur an der Universität Triest betreut er bis zu seiner Emeritierung im
Jahr 2006 die Übersetzung vieler deutscher Autoren ins Italienische, darunter
Joseph Roth, Arthur Schnitzler und Georg Büchner. Magris nimmt zudem als
Essayist und Kolumnist des »Corriere della Sera« zu innen- und außenpolitischen
Themen immer wieder Stellung. Von 1994 bis 1996 sitzt er als unabhängiges
Mitglied eines Linksbündnisses für die Region Triest im römischen Senat und
gründet gemeinsam mit Umberto Eco und anderen Persönlichkeiten aus Kunst und
Kultur im Jahr 2002 die Vereinigung »Libertà e Giustizia« (Freiheit und
Gerechtigkeit), um eine kritische Position zur Politik der Regierung unter
Silvio Berlusconi zu beziehen.
Große Aufmerksamkeit erlangt Claudio Magris durch seine literarische Tätigkeit.
Im Mittelpunkt seiner Bücher stehen die kulturelle und politische Vielfalt der
europäischen Gesellschaft, das mythische europäische Mittelreich und dessen
literarische Hauptstädte und ihre Bewohner. Erste internationale Bekanntheit
erhält seine 1963 publizierte Dissertation »Der habsburgische Mythos in der österreichischen
Literatur«. Mit dem gemeinsam mit dem Historiker Angelo Ara verfassten Essay »Triest,
eine literarische Hauptstadt im Mitteleuropa« (dt. 1987) und seinem Buch »Donau.
Biographie eines Flusses« (dt. 1988) wird Magris einem größeren Lesepublikum
bekannt. Aufsehen erregt sein 2005 veröffentlichter Roman »Blindlings« (dt.
2007), an dem Magris achtzehn Jahre arbeitet. Sein aktuelles Werk »Ein Nilpferd
in Lund« kam in diesem Jahr in deutscher Sprache auf den Markt, darin
versammelt Magris Geschichten, die er auf seinen ausgedehnten Reisen durch ganz
Europa erlebt.
Claudio Magris ist Mitglied in vielen Vereinigungen, unter anderem in der
Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Akademie der Künste (Berlin),
Accademia della scienze (Turin) und in der Akademie der Schönen Künste (München).
Für sein literarisches Werk und sein kulturelles Engagement erhält er
zahlreiche Auszeichnungen, darunter die Goethe-Medaille (1980), den Manès-Sperber-Preis
(1987), den Prix de France culture étranger (1993), den Premio Strega (1997),
den Leipziger Buchpreis zur Europäischen Verständigung (2001), den
Erasmus-Preis (2001), den Prinz-von-Asturien-Preis (2004) und 2005 den Österreichischen
Staatspreis für Europäische Literatur.
Claudio Magris lebt im italienischen Triest und hat zwei Kinder.
Weitere Informationen sind abrufbar unter
www.friedenspreis-des-deutschen-buchhandels.de
Frankfurt am Main, 18. Juni 2009
Oberthema >> Friedenspreise