Himmel und Hölle

"Wer hat sich das nur ausgedacht?" - Da will angeblich jeder das Beste für jeden und dann wird geglaubt an die Teilung all dieser Menschheit in Himmel und Hölle?

"Wer hat sich das nur ausgedacht?" - Na, das scheint lange her, denn so weit wir dem Menschen in die Vergangenheit folgen, finden wir ihn religiöse Dinge tun.

Bei mir war es die Religion meiner Eltern, die mich als Kind oft über Himmel und Hölle nachdenkend  machte: "Oma ist jetzt im Himmel", lautete die schwer verdauliche Nachricht. "Da wartet sie auf uns", war der schwache Trost, doch immerhin ...

Allerdings so einfach ist das nicht mit dem Wiedersehen, denn: "Du musst artig sein!", weil nach dem Tod gibt es nicht nur den Himmel, sondern auch noch die Hölle mit entsetzlichen und schlimmer noch "ewigen Qualen". - Da wollte ich auf keinen Fall hin.

Deshalb wurde bei uns kräftig gebetet, vor und nach dem Essen, vor dem Einschlafen. Siebenmal pro Tag, das konnte es werden, wenn so oft gegessen wurde. Und an den Sonntagen in die Kirche. Lieder singen, Predigt hören, beten und beten und danken dafür, was man hat und bitten, dass es auch anderen Menschen so gut gehe wie einem selbst - und beten auch dafür, dass einem vergeben wird, was man an Bösem gedacht und gemacht hat. - Je mehr man überlegte und im Glauben unterrichtet war, desto mehr fiel einem ein, was den Weg in den Himmel erschweren könnte. 

Bald kam ich neben zwei Chören in den CVJM, was zunächst "Christlicher Verein Junger Männer" hieß und später dann "junger Menschen", denn auch die Mädchen sollten nicht abseits stehen, blieben aber in meiner Zeit in eigenen Gruppen, was wohl nicht allein daran lag, dass sie weniger gut Fußball spielten.

In der Schule gab es den Religionsunterricht, bei Pfarrer Albertz Privatunterricht, danach  Konfirmandenunterricht und dann endlich die Konfirmation. Nun war ich vollkommenes Gemeindemitglied und meine Pateneltern waren nun keine Paten mehr, aber wir behielten es liebgewonnen bei.

Doch im Wandel eintrudelnder Pubertät und konnte ich längst schon nicht mehr meine Sündhaftigkeit beherrschen. Und war es überhaupt Sünde? Ganz sicher. Klare Zeichen gab es dafür: die Scham, die Heimlichtuerei und dass man nicht in Gegenwart der Erwachsenen darüber spricht. 

So schlimm wollte es mit mir kommen. Da hatte mich niemand drauf eingestellt und nun suchte ich nach allen erdenklichen Möglichkeiten, mich mit Gewissen und Glauben wieder ins Reine zu bringen. Aber: daraus wurde nichts.

Selbst das Gebet um die Sündenvergebung schien mir Frevel, denn wie konnte ich Vergebung erbitten, während ich fortdauernd sündigte, sicherlich nicht im selben Moment, aber genügend zur Unglaubwürdigkeit. 
Hinzu kam, dass mein sonstiger Lebenswandel einer Menge Schutzengel bedurfte, denn wer wie ich gern von Bäumen sprang, raufte und mit dem Fahrrad am liebsten ungebremst die Berge abfuhr, musste gut behütet sein, um keinen Schaden zu nehmen. 

Es wurde zu viel. Diese Sünden, diese Beanspruchung von Schutzengeln, das konnte nach meinem Glauben keinem noch so gnädigen Gott gefallen, denn ich fand es ja selbst nicht gut, aber gute Vorsätze gingen ins Leere.

Allmählich kam ich mir lächerlich vor, dass Gott Vater im Himmel darauf angewiesen sei oder überhaupt wünsche, dass ich ihn andauernd um Verzeihung bitte und andauernd danke für Dinge, die ein vernünftiger Mensch gar nicht bräuchte und tut. Vielleicht würde Gott lieber seine Ruhe haben vor solchen wie mir und was sollte er wollen, was wir in den Kirchen schmerzend schräg singen und oft bewusstlos beten. 

So verließ mich der Glauben. Solch Christentreiben schien überhaupt sinnlos und keinesfalls gottgefällig. Das schienen sich Menschen ausgedacht haben, die Eltern, die Lehrer, die Pfarrer waren, dachte ich - und bald kam es mir auf die Gebete und mit dem Stimmbruch auch auf die Gesänge nicht mehr an und ich wurde zum Christen "ohne solches Getue", wie ich nun fand. Es komme einzig darauf an, dass ich niemandem schlecht bin und allen nach Möglichkeit helfe. 

Solch Weg war länger und nicht ohne Kurven und Schritte zurück, aber letztlich gingen mir die Sinne für meinen Gott verloren, denn warum war ich nun Christ und nicht Jude, Muslim und was mir sonst noch begegnete, was doch eigentlich nur an dem Zufall lag, dass ich von christlichen Eltern bin und die anderen vielen Menschen können doch deshalb nicht schlechter sein. 

Die weiteren Stationen waren, dass vielleicht alle an den selben Gott glauben und bekennen sich nur anders dazu, was durchaus gottgewollt sein könne. Und schließlich war mir die Frage nach Gott keine mehr, die sich der Mensch mit seinen Religionen beantworten könnte, so sehr er sich müht, so bleibt seine Wahrheit unter dem Vorbehalt all der anderen Wahrheiten, denn dass der jeweilige Glaube jeweils "die Wahrheit" sei, wenigstens darin waren sich alle in ihrer Verschiedenheit einig und gleich.

Aber wenn A = B = C ist, dann konnte es mich keins davon mehr überzeugen. So wurde mir die Gottlosigkeit von gleicher Wahrscheinlichkeit, ebenfalls ohne Überzeugungskraft, dass A, B oder C gegenstandslos sind, so wäre mir rein logisch nicht schlüssig,  dass jemand seine Freiheit mehr zu begründen hätte als jemand anderes die Pflichten.

Nur eines war mir wahrscheinlich: Wenn ich begründete Zweifel habe und diese Zweifel nicht nur aus Unmoral und Faulheit, die ich mir nie gänzlich bestreiten würde, dann werde kein Gott von mir verlangen, dass ich ihm Glauben lebe, wenn er sich mir nicht gewiss macht, denn was soll er wohl mit mir als solch Gestalt, die aus Feigheit bekennt, was sie nicht glaubt.

Ob Gott existiert oder nicht, wenn ich mich nur daran halte, was mir menschenmöglich ist, um das Leben mit allen Sinnen zu leben, mit den Dummheiten, mit dem Zeitvertreib, mit der sinnvollen Beschäftigung für mich und möglichst auch andere, denn das gilt allemal, dass der Mensch nicht nur sich selbst sein kann und würde dadurch zufrieden, sondern braucht die anderen auch. Manche mehr, manche er weniger.

"Das (Leben) kann doch nicht alles gewesen sein!?", so denken und fühlen die Menschen und wünschen ewig zu leben, worin vielleicht sogar alle Vernunft ihre tiefste Ursache hat, auf etwa gleichem Niveau wie der vermutete animalische Trieb zum Überleben.
Für die Frage nach dem "Gut" oder "Böse" hilft es zur Vernunft mehr, wenn sich das Ewige Leben ebenso teilt, quasi als letzte und ausgleichende Gerechtigkeit, als Antrieb zum "Guten", als Bremse zum "Schlechten". Und auch mir wäre oft lieber, dass die Menschen stärker dran glauben, denn ohne Glauben an Ewiges Glück oder Ewige Qualen könnte sein, dass sie so ganz ohne Zahltag zu viel auf ihr Konto laden. 

Dennoch wäre mir diese Zweiteilung mit ihren Extrem aus Himmel und Hölle nicht gerecht, denn wen würde ich Ewigkeiten dafür büßen lassen, dass er in unserer unvollkommenen Welt wie auch immer versagte. 

Wäre der Himmel von mir, so würde ich ihn vielleicht so machen, dass vielleicht immer die Strafe auf den wartet, was er tat. In der Ewigkeit ist mehr Zeit für gerechtes Strafen als hier in knapp bemessener Zeit, doch auch dann würde sich fragen, wie das zu machen wäre, denn dazu müssten auch noch im Jenseits all jene Gestalten und Zustände sein, die ich dort lieber vermissen möchte. 

Ganz schwierig sind solche Fragen. Manchen sind sie gerade deshalb "einfach zu blöd" :-)

Sven200404

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