Es gab keine "Tätergeneration"

Sehr geehrter Herr Thierse,

aus dem mit Ihnen geführten "Welt-am-Sonntag"-Interview vom 2. November 2003 werden Sie wie folgt zitiert: "Wer gedacht hat, dass man dieses Denkmal klinisch oder moralisch rein bauen könne, war auf einem Irrweg. Denn das geht nicht in einem Land, dessen Vorgängerstaat das Nazireich war und in dem dieses Denkmal nun von der Nachfolgegeneration der Tätergeneration gebaut wird."

Wenn Sie die NS-Verbrechen täterschaftlich auf eine gesamte Generation erstrecken, leisten Sie dem unseligen
Kollektivschuldkomplex Vorschub und geben neofaschistischen Trotzreaktionen Wasser auf die Mühlen.

In Ihrer Eigenschaft als protokollarisch zweithöchster Repräsentant der Bundesrepublik Deutschland, in Ihrer Eigenschaft als Vorsitzender des Mahnmal-Kuratoriums und in Ihrer Eigenschaft als Schirmherr zahlreicher antifaschistischer Initiativen hätte ich von Ihnen erwartet, dass Sie zwischen Tätern, Mitläufern, passiven Versagern, Widerstandleistenden und Opfern zu unterscheiden wissen.

Ich bitte Sie um Klarstellung, ob das Wort von der "Tätergeneration" ein Lapsus war oder Ihre tatsächliche Überzeugung ausdrückt.

Mit freundlichen Grüßen
Sven Möller
Redaktion
www.internet-journal.de

Nachtrag 1:  Der Thierse-Patzer ist umso ärgerlicher, weil in dieser Woche CDU-Hohmann mit seinem Spruch vom "Tätervolk" in die Kritik geriet.

Nachtrag 2: bis zum 9.November 2003 wollten wir abwarten, ob eine Reaktion aus Thierses Büro kommt, aber erwartungsgemäß kam nichts, wofür wir Verständnis haben, denn das Internet-Journal ist schließlich nicht die Bild-Zeitung. Aber dummes Zeug sollten sie halt nicht reden - und das sagen wir dann auch solchen Leuten öffentlich, die uns "im Prinzip näher stehen".  Falsch! Gerade denen sollte man es sagen. Morgen fragen wir telefonisch nach. 

Herr Thierse hat jederzeit Gelegenheit, sich zu korrigieren und es uns mitzuteilen. 
Wir würden es jedenfalls begrüßen, wenn sich 'mal jemand korrigieren ließe, denn daran fehlt es ja gerade am meisten in der Politik - und vor allem "in Sachen Holocaust".


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