Offener Brief an den Bund der Vertriebenen v. 1.3.2009
Polen: Nachhilfe für Merkel, Steinbach und BdV
In Polen ist mehr Sensibilität, wenn es um revanchistische Töne aus
Deutschland geht und wendet sich dagegen, dass die CDU-Politikerin Erika
Steinbach in den Stiftungsrat der geplanten Berliner Vertriebenen-Gedenkstätte
kommt.
Am 17.02.2009 titelte der Bund der Vertriebenen eine Presseerklärung mit
der Behauptung: "Polen erpresst die
Bundesregierung"
Das ist Unsinn, denn Frau Merkel wird nicht "erpresst", sondern soll eben ohne die polnische Regierung und meinen Applaus gedenkfeiern müssen, wenn sie trotz aller Kritik an der Steinbach-Nominierung festhält.
Der Bund der Vertriebenen macht mit der weiteren Presseerklärung vom 26.02.2009
deutlich, dass er die Kritik überhört, wenn es heißt: "Wir
fordern das Ende der Medienkampagne in Polen gegen Präsidentin Erika
Steinbach. Wir finden die speziell in Polen verursachte Massenpsychose gegen
Erika Steinbach unerträglich und durch nichts gerechtfertigt. ... Wir
fordern die Kritiker Steinbachs auf, darzulegen, was ihre vehemente
Ablehnung Erika Steinbachs begründet. Bei entsprechenden Anfragen wurden
seit Wochen keine Fakten genannt."
Obwohl seit Wochen dargelegt, was an Frau Steinbach Stein des Anstoßes ist,
bekommt der BdV es nun auch von mir postalisch dargelegt - in zwei Fassungen
für die langsameren und schnelleren Gemüter:
Sehr geehrte Damen und Herren,
Frau Steinbach ist nicht etwa Opfer einer "polnischen Medienkampagne"
oder "Massenpsychose", wie es in der BdV-Presseerklärung
heißt, sondern durch ihre Politik gegenüber Polen
für den Stiftungsrat und den Versöhnungsauftrag disqualifiziert,
1. weil sie mit ihrer Ablehnung der Oder-Neiße-Grenze in Deutschland und
Polen den Nationalismus schürte, obwohl der zum Zweiten Weltkrieg führte
und die deutsch-polnische Aussöhnung behinderte, als sei
die Revidierung
der Nachkriegsgrenzen durch Nichtanerkennung möglich und statthaft,
2. weil sie gegen die Aufnahme Polens in die Europäische Union auftrat,
obwohl allein die europäische Integration der Weg sein kann, damit Grenzen
unwichtiger werden und die Bürger freier in Europa, wie es immerhin auch
die BdV-Charta seit 1950 verlangt,
3. weil ihr demokratischer Lernprozess ausgeblieben ist, denn sie könnte längst
sagen: "Die Verträge mit Polen sind
geschlossen und verbindlich, so dass mein Widerstand gegen
diese Verträge der Vergangenheit angehören. Heute freue ich mich, dass
sich Polen und Deutschland auf die Grenzen verständigten, sie durchlässiger
werden und das Gegeneinander der Vergangenheit durch das
deutsch-polnische Miteinander der Europäischen Union überwunden
wird."
Sollte Frau Steinbach zu bekennender Einsicht fähig sein, so wäre
sie für das Amt qualifizierter, wenngleich geschmacklos geschichtsklitternd
ist, dass sie sich als heimatvertriebene "Westpreußin" etikettiert,
denn ihre Familie kam nun mal durch die nationalsozialistische
Germanisierungspolitik nach Polen und floh vor Stalins Armee in die
vorherige Heimat zurück. Und ihr Vater war eben auch nicht einfach nur
"Elektroingenieur", sondern Hitler-Soldat und Besatzer. So sehen es die Polen, so sehe ich es - und Frau Steinbach kann nicht
bestreiten, dass das die vollständigere Wahrheit ist, auch wenn für ihre
politischen Weg eine andere Version hilfreicher war, die aber nur
wenigen Deutschen zusteht, die nicht zu Hitlers Willfähigen zählten und
dennoch vertrieben wurden.
Der Bund der Vertriebenen bezeichnet sich in der Presseerklärung als "Opferverband",
was er auch ist, aber
das allein war er nie, sondern immer auch ein Verband solcher Vertriebener,
die den Vertreibern zuvor alles andere als bloß "nette Nachbarn"
waren. Frau Steinbach beteuerte oft, dass es auch die Lasten des
historischen Erbes anzunehmen gilt. Dann aber müsste sie
unmissverständlich eingestehen: "Meine
Familie hatte in Hitlers "Westpreußen" überhaupt nichts zu
suchen."
Auf das Eingeständnis dieser bitteren Wahrheit bestehen Polen und Deutsche.
Stattdessen denkt Frau Steinbach jetzt öffentlich und selbstmitleidig darüber
nach, ob sie auf das Stiftungsamt verzichtet, begleitet von der BdV-Kampagne
mit der falschen Behauptung,
dass die "Bundesregierung von Polen erpresst" werde. Auf
diese Weise schüren Frau Steinbach und der BdV antipolnische und
antideutsche Stimmungen, schaden der Aussöhnung.
Stellen Sie Ihre Kampagne nicht einfach nur ein, sondern zeigen den Lernprozess öffentlich,
denn auch das braucht es für ein freiheitliches Europa, in dem Deutsche und
Polen miteinander ohne Groll leben können.
Mit freundlichen Grüßen
Markus S. Rabanus >> Kurzbrief
>> DISKUSSION
Bund der Vertriebenen, Revanchismus, Erika Steinbach, Dialog-Lexikon