Planwirtschaft [ Forum ]

Wem die Alternative zur Planmäßigkeit die Planlosigkeit scheint, braucht tatsächlich "Führer" und ist idealer Untertan, so groß auch immer er seine Klappe aufreißt. - Dein Problem, wenn Du Dich angesprochen fühlst. 

Die "richtige Wirtschaft"
kann so unterschiedlich zur "richtigen Gesellschaft" nicht sein. Es braucht Plan, so wie es Gesetze braucht und trotzdem Freiheit lässt.

Sven200607

 
von Sven Redaktion am 4.Sept.2003 

Hallo Thilo,

die Wissenschaft hat das natürliche Verlangen, sich von allem eine Vorstellung zu verschaffen, aber sobald sie Wahrgenommenes für einen "Plan" hält, rennt sie in Richtung Theologie. So ergeht es dann auch der Ökonomie, doch gewiss: die Theologie ist ein schönes Fach.

"Wirtschaftspolitik" hingegen ist "Plan(-versuch)" und sollte sich tunlichst wieder mal auf das beschränken, was die spontanen Kräfte in ihrem Entfaltungsdrang auf die Unschädlichkeit beschränkt.

Weil dann noch reichlich Lücken bleiben, weil das "Angebot" nicht "automatisch" der "Nachfrage" folgt, braucht es auch politischerseits tieferer Eingriffe in die Privatautonomie:
Regelungen zur Integration von behinderter Menschen,
Bauvorschriften, damit nicht alles gleich zu Boden fällt,
Begrenzungen des Ressourcenverbrauchs, Abgaben für Entwicklungshilfe, denn der Hunger in der Welt stellt ebenfalls "Nachfrage" dar, nur eben ohne "Kaufkraft", weshalb es dafür Lösungen braucht, notfalls eben "Plan".

Die Planwirtschaft für das "Ganze" vertreten nur diejenigen, die Mensch und Arbeit auf Mechanik verkürzen. Das kann man im Hörsaal und Schutzbereich des Art.5 Abs.3 GG tun, aber solche Professoren würde ich mir dann weniger an Universitäten, sondern eher an Privatschulen wünschen, denn das schon nähert die Theorie ein Stück der Praxis an. -

Aber wir können uns auch Unfug an den Hochschulen leisten, denn für Einspar-Potentiale stehen mir andere Prioritäten.

Grüße von Sven

ps: Thilo, no problem. Ich diskutiere das gern mit Dir und ich denke auch nicht, dass mit meinem Posting alles gesagt wäre.

DISKUSSION      Dialog-Lexikon

Planwirtschaft [ Forum ]
 
von thilo am 4.Sept.2003 

Hallo Sven,
die Volkswirtschaft kennt grob beschrieben 2 Lager :
1. das sind die Angebotsmonetaristen und Neoklassiker (einfachheitshalber oft zusammengefasst zum ersten Begriff)
2. das sind die Keynesianer (Lehre die zurückgeht auf den britischen Nationalökonom Keynes)
Während die ersten (grob beschrieben davon ausgehen, dass der Markt ein gänzlich selbstregulierendes Moment besitzt, gehen die Keynisianer stets von der Notwendigkeit der Intervention des Staates in das Wirtschaftsgeschehen aus. Während beide Lager ihre Berichtigung haben (sollen) (in unserer Gesellschaftsordnung), bin ich ein grundsätzlicher Anhänger der Keynesianer, da ich davon ausgehe, dass der Staat als Kontroll- Lenkungs- und Förderungsinstrument im wirtschaftsgeschehen unabdingbar ist. Die Theorie geht aber natürlich davon aus, dass die Politik (Staat) völlig unabhängig von der Wirtschaft wirkt. Allein der vorhandene Filz verhindert den Erfolg dieser Forderung. Wenn durch Subventionen, Steuersenkungen usw. positive Impulse freigesetzt werden sollen, so bedient man sich in der Praxis eher selten gemeinwohlbezogener durchgängiger Objektivität und braucht sich daher nicht über das (manchmal verzögerte) Feedback wundern, für welches dann die abenteuerlichsten Ausreden herhalten müssen.
Eine Planwirtschaft stellt den Bedarf allein auf die exakte Nachfrage (Bedarf) ab und vermeidet so Überproduktionen und damit einhergehende Ressourcenverschwendung. Wie bei einem auftragsbezogenem PPS-System in einer Firma arbeitet sie (sollte sie arbeiten). Der Wettbewerbsfaktor bekommt aber eine relativ unbedeutende Stellung. Vergleichbar mit dem Wettbewerb in unserer Gesellschaft ist dieser überhaupt nicht(Problem?!). Im Grunde gibt es ihn in diesem Sinne also nicht. Er muss künstlich durch Prämierung von marktfähigen Innovationen geschaffen werden.
Die Planwirtschaft verteilt die vorhanden Ressourcen (Arbeitskraft, Material, Produktionsmittel) sinnvoll.
Was geschieht bei einer Marktsättigung? Ich glaube diese ist ein Riesenproblem für die Gesellschaft geworden. Da möchte ich gern mehr wissen. Denn wir unterziehen uns auch einem Wertewandel und eine gewisse Genügsamkeit ist für unser System in der Breite gesehen wahrscheinlich vernichtend. In der DDR begründete mir mal ein einfacher Mann die Arbeitslosigkeit in der BRD damit, das "alles schon gemacht sei." Könnte eine Rolle spielen (nicht?).
Viele Grüße
Thilo

 

Planwirtschaft; Marktwirtschaft und Staatstheorie :-) [ Forum ]
 
von Sven Redaktion am 5.Sept.2003 

Hallo Thilo,

vielen Dank für Deinen Beitrag und er freut mich tatsächlich.

Dennoch sind einige Grundannahmen falsch, so zunächst, dass "eine Planwirtschaft die Produktion auf die exakte Nachfrage (Bedarf) abstelle". Zum einen ist "Bedarf" ungleich "Nachfrage" im ökonomischen Sinne, weil letztere "Kaufkraft" beinhaltet.

Planwirtschaft wäre vielleicht mächtig, den "Bedarf" zu ermitteln, nicht aber die "kaufkräftige Nachfrage", denn die hat zum "Können" auch noch den "Willen".

Bsp.: Lässt sich zwar ungefähr voraussagen, welchen Kalorien- und Wasserbedarf eine Bevölkerung hat, dann aber weit schlechter, wie sich das im Konsumverhalten abhängig von Wettern und Moden konkretisiert.

Und trotzdem wäre ein solcher "Volksspeiseplan" im Vergleich zu anderen Sektoren noch recht einfach zu erstellen, schon gar nicht mehr in der Komplexität hochgradig arbeitsteiliger und innovativer Gesellschaften.

In der Wohngemeinschaft oder in einer handarbeits-landwirtschaftlichen Kommune mag Planwirtschaft noch gut funktionieren, sofern nicht natürliche Vorkommnisse den Plan zerdeppern.

In den großen Planwirtschaften der sozialistischen Staaten funktionierte sie letztlich nie: immer gab es Planungslücken, die Teile fehlen ließen, die sich zu absurden "Engpässen" hoch summierten. Und was der Plan nicht schaffte, machte den Bürger zum Bastler, zum Reisenden, der sich selbst die Dinge im Schwarzmarkt ranschleppte, was eine Menge gegenseitiges "Vertrauen" (=Verschwiegenheit), Kriminalität gegen das "Volkseigentum" usw. zur Folge hatte. Man hielt das für "Zusammenhalt". Und das war es wohl auch.
Mit dem einwandernden Kapitalismus besiedelten nicht nur Sat-Schüsseln die Dächer des geknackten "sozialistischen Vaterlands", sondern man brauchte auch einander nicht mehr, weil es in jedem Geschäft "alles" zu kaufen gab.

Nun könnte man glauben, die Plandefizite der DDR seien mit heutiger Computertechnik ("aus Fehlern lernend") kurierbar, aber das würde immer voraussetzen, dass die Innovation stagniert, weil jede Innovation den Plan neue Lücken beschert.

Im Kapitalismus findet die "Planung" so anarchisch statt (wie bei Karl Marx beschrieben) und führt zur periodischen Überproduktion. "Ressourcen werden dadurch verschwendet" - stimmt indes nur zum Teil, denn die Ressourcen werden vor allem "dadurch" verschwendet, wenn sie zu leicht = zu billig verfügbar sind.

Doch der Preis der Dinge ist längst nicht alles, sondern wieder einmal zählt die "Verantwortlichkeit", denn selbst die teuersten Dinge werden beschafft und verschwendet, wenn niemand dadurch direkteren bzw. persönlicheren Schaden leidet.

Das können zum Beispiel Rüstungsgüter sein, weil die Beschaffer die Beschaffung nicht zahlen, sondern damit Staatskassen belasten. Ähnliche Verschwendung findet sich zwar auch in größeren Betrieben, aber solange sie in Konkurrenz zu anderen Betrieben stehen, werden sie Ressourcen versuchen zu schonen, ansonsten fallen sie in der Konkurrenz ab und die verschwenderische Schwachstelle würde alsbald gefunden (mit Ausnahme von Geschäftsführung, Vorstand und Aufsichtsrat).

Nicht minder ressourcenverschwenderisch war die Planwirtschaft, so sehr dortiger Mangel nach "Sparsamkeit" ausgeschaut haben mag. Die Verschwendung war "systembedingt", denn je weiter sich die "Volkswirtschaft" von der "Privatwirtschaft", letztlich vom eigenen Haushalt entfernt, desto abstrakter wird die Verantwortlichkeit für Gewinn und Verluste, zumal sich das "plan-garantierte Ergebnis" für die eigene "plan-garantierte Arbeit" millionenfach teilt.

Ressourcenverschwendung ist also letztlich weder durch das marktwirtschaftliche noch durch das planwirtschaftliche System verhindert. Der Preis spielt eine Rolle, die Verantwortlichkeit spielt auch eine Rolle. Nun könnte noch durch gesetzliche Bestimmungen nachgeholfen werden, beispielsweise Verlängerung von Gewährleistungsfristen, Obergrenzen für Material- und Energieeinsatz.

Zudem könnte man glauben, dass die Menschen zur Sparsamkeit erzogen werden sollten, aber wenn es hinsichtlich Konsum und Umwelt bei individuellen Freiwilligkeiten bleibt, was die Vernunft anbelangt, so würde das schon an Leuten wie mir scheitern: ich bin "prinzipiell für ein Tempolimit 200", aber fahre eben auch gern 60 mehr.

Um meiner Vernunft "nachzuhelfen", wären mir dann allerdings automatische Tourenzahlbegrenzer lieber als Verbotsschilder und Radarfallen, so dass sich "mein Vernunft-Problem" wohl eher über die technische Zulassungsordnung lösen würde als über die Kriminalisierung meines Verhaltens.

Vernunft, Freiheit - all das sind abstrakte Wesen, die oft erst in Dialektik zum Gegenteil an Kontur und Greifbarkeit gewinnen.

Typisch für die Planwirtschaft ist, wie bereits angesprochen, dass ihr der klassische Wettbewerb fehlt, weil die Planwirtschaft einer Absatzgarantie gleichkommt.
Die vielen planwirtschaftlichen Prämiensysteme zur Innovationsmotivation erwiesen sich im Vergleich zum "existentielleren" Wettbewerb der Marktwirtschaft unterlegen.
Daraus könnten "Weltrevoluzzer" zwar das Erfordernis schließen, dass eben weltweit die Marktwirtschaft abgeschafft gehöre, damit das Prämiensystem funktioniert, aber dessen Effizienz würde sich noch immer auf propagandistische Nullung reduziert zeigen, weil sich die Menschen eher darum "sorgen", dass sich ihre durch den garantierten Absatz ebenfalls garantierte Arbeit verkürzt, indem sie bei Planerstellung ihre Schaffenskraft untertreiben und mehr Zeit haben für den sich spontan entwickelnden Schwarzmarkt, in dem ihnen die "Prämien" in etwa proportional höher sind, wie die Planwirtschaft in dem verglichenen Versorgungssektor versagt; denn im Schwarzmarkt gilt wieder das "Preis-aus-Angebot-und-kaufkräftiger-Nachfrage-Modell" (auch für den Tausch).

Staatliche Planwirtschaft ist geradezu "Planunwirtschaftlichkeit", denn produziert vor allem Zahlen, fast gleich, ob mit Minus oder Plus davor, weshalb der Mangel infolge entsteht. Und dieser Mangel ergreift auch die Arbeitskräfte, denn zur Erhöhung der Norm war man nur dann wirklich allzeit bereit, wenn man nicht selbst, sondern andere sie erfüllten. In der Marktwirtschaft nun wieder, was Deine letzte Frage betrifft, ist das Heer der Arbeitslosen nicht damit erklärt, dass hier "schon alles überproduziert" sei, sondern Folge von a) Rationalisierung (=Ressourceneinsparung) und b) dass die Wachstumsraten nicht ausreichen, um die Rationalisierungsgeschwindigkeit zu kompensieren. Sodann gibt es da noch c) die verfehlte, aber auch wirklich schwierige Sozialpolitik, durch die eine Art Teufelskreislauf entsteht: Arbeitslose werden Sozialleistungsempfänger, erhöhen damit die Sozialabgabenlast für die noch Arbeitenden, wodurch die Arbeit noch teurer wird und sich der Druck zur Wegrationalisierung von Arbeitsplätzen erhöht. - Doch wie schon an anderer Stelle behauptet, ließe sich daran "systematisch" reformieren anstatt nur dumm durch Sozialabbau und Abgabenerhöhung rumzuflicken, wenn man die Arbeitszeit ihrer Höhe nach besteuerte und nicht nur die Höhe des Einkommens.
Regierung und Opposition gehen da allerdings noch immer in die andere Richtung und wollen sogar noch die Arbeitszeit derer mehren, die in Arbeit stehen anstatt dafür zu sorgen, dass die Arbeitslosen in Arbeit kommen.
Schaue ich mich um, dann sehe ich keineswegs nur die "Überproduktion" in den Schaufenstern, sondern "vieles zu tun" an Häusern, Straßen und Plätzen, an Erziehung der Kinder und vieles mehr. Gleichzeitig sehe ich Menschen in niedrigste Lebensstandards verkommen, weil niemand sich leisten kann, ihnen auch nur wenig zu zahlen, weil der Staat aus jedem Cent einen Euro für die leeren Kassen zu machen versucht, die sich auf diese Weise nicht füllen, sondern allenfalls Schwarzarbeit und Müßiggängertum fördern.

Und warum ist die Politik so schlecht? Auch das lässt sich vermutlich beantworten: Weil die politische Arbeit insbesondere im Bereich der persönlichen Verantwortlichkeit von Politikern Lücken lässt, in denen diese sich selbst den "Erfolg ihrer Arbeit" bewerten: durch das gegenwärtige System der Diäten und die ihnen erlaubte "Nebenbeschäftigung" für fast jederlei und jeder monetären Größenordnung.

Mir scheint: Solange die Politikerversorgung vom "volkswirtschaftlichen Produkt" abkoppelt bleibt, unterbleiben Reformen.
Sobald hingegen die Politiker ebenso für die Gesetze zahlen wie diejenigen, die es jetzt schon/noch tun, würden sie es wohl zu Reformen schaffen.

Das Selbstverständnis von "Volksvertretern" als "Manager" ist absurd. Der Staat ist entgegen seinen neueren Ausdeutungen eben kein "Dienstleister" und der Bürger den Behörden auch nicht im Ansatz ein "Kunde". Das alles ist Quatsch und allenfalls Fehlentwicklung in der Staatstheorie und Praxis. Ihre Ursachen sind spannend zu erörtern, greifen manches auf, was in allerdings wirklich "überholten" Zeiten mal "Fortschritt", mal "Verschleierung" war: "Staatschef als erster Diener des Volkes", ...

Der "Volksvertreter" kann nur Volksvertreter sein, wenn er sich nicht allzu weit von den Vertretenen auch im Interesse scheidet.

Alles irrsinnig weite Felder. Ich will/kann sie nicht sämtlich beackern, aber ich warne vor denen, die so tun, als sei das eine Frage von Personen und Parteien anstelle einer Frage von Paragraphen. Gute Absichtserklärungen hören wir von allen Seiten, aber Festschreibungen in Normen und gerichtliche Überprüfbarkeit ist so wenig Leuten verstandene Notwendigkeit.

Grüße von Sven

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