Postheroismus
Mit "Postheroismus"
bezeichnet der an der Humboldt-Universität Berlin Geschichte lehrende Prof. Herfried Münkler
den Zustand westlicher Gesellschaften, die nicht mehr bereit seien, ihre Leben
für Wertvorstellungen auf Schlachtfeldern zu riskieren.
Die Phase, in der sich dieser Wandel von der "heroischen Gesellschaft"
zur "postheroischen Gesellschaft" vollzogen haben könnte, bleibt
indes wenig markant, würde Durchbrechungen mit dem Zweiten
Weltkrieg erfahren haben und auch mit den Kriegen danach, es sei denn, dass
Herr Münkler nachweisen kann, die Franzosen, Amerikaner und Briten (sind
unbestreitbar "westliche Gesellschaften") hätten es an Heroismus
fehlen lassen.
Aus meiner Kritik an einem Interview des SPIEGEL mit Münkler:
6. Münkler mutmaßt,
dass auch Dschihadisten durch Atomwaffen abzuschrecken seien. Deren
Opferbereitschaft unterscheide sich nicht von der soldatisch typischen
Opferbereitschaft, den eigenen Tod zugunsten des Überlebens anderer in Kauf zu
nehmen.
Mag sein, wenngleich das Ding mit der soldatischen Opferbereitschaft
vielschichtig und in den meisten Fällen anders ist >> www.inidia.de/heldenmythos.htm
Es stellt sich jedoch bei Atomwaffen gar nicht die Frage nach soldatischer
Opferbereitschaft, denn Soldaten haben in Sachen Krieg und Frieden gewöhnlich
wenig Mitspracherecht.
Die Frage lautet vielmehr, ob sich Politiker durch Atomwaffen abschrecken
lassen, und wenn dem Historiker Münkler nicht reichlich Beispiele einfallen,
bei wie vielen Politikern jedes Mitgefühl gegenüber den Überlebensinteressen
anderer verloren ging, dann wäre seine Abschreckungsgewissheit dahin und möglicherweise
auch mehr Einsicht für ein Regime, das die Entwicklung und Vorhaltung von
Atomwaffen ausschließt.
Jede Abschreckung, welche auch immer, funktioniert überhaupt nur dann, wenn
Verantwortungsbewusstsein zumindest restbeständig bliebe, während jede
Abschreckung versagen kann, sobald jemand glaubt, "nichts mehr zu
verlieren zu haben".
7. Münkler behauptet, dass die "religiöse
Intensität", "heroischen Potenziale" und Opferbereitschaft in
den Industrienationen im Vergleich zu bspw. islamischen Staaten gemindert sei
und durch technologische Überlegenheit ausgeglichen werde und werden müsse.
Abgesehen von der in solcher These mitschwingenden Überheblichkeit, die dazu
neigt, zwischen Machbarkeit und Rechtlichkeit keine Unterscheidung zu treffen,
erkennt Münkler zwar, dass die Wahrscheinlichkeit terroristischen Zugriffs auf
atomwaffenfähiges Material wachse, aber er setzt gleichwohl auf den
technologischen Vorsprung als Sicherheitsdoktrin.
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Markus Rabanus - Dialogie.de
30. Juni 2008