Vorsehung 

Mir missfällt, dass der Papst so oft die göttliche Vorsehung bemüht: 

Nach eigenem Bekunden wurde er ohne eigenen Willen zum Bischof geweiht. Es sei Vorsehung gewesen. Und solch Schicksal ereilte ihn erneut, als er Kardinal wurde und Papst. 

Und wenn er schließlich in den Himmel gerufen würde, ins Ewige Leben? Dann "will" er noch immer nicht? Und geht nur aus Gehorsam? 

Ich glaube ihm zwar die christlich gebotene Bescheidenheit, aber die Aufrichtigkeit der eigenen Wünsche droht darin zu verschwinden. Der eigene Wille muss nicht permanent verdächtig werden, dass er die Subordination schmälere, schon gar nicht die Verantwortung für immerhin jede eigene Rede und eigene Handlung, ob nun als Christ an der Basis oder Papst auf dem Heiligen Stuhl.

Mir ist seine ständige Fokussierung auf die Vorsehung suspekt, denn sie fördert ein Menschenbild widerspruchsloser Gefolgschaft, als sei das Wort unmittelbar und nicht übersetzt in viele Versionen, zwischen denen nicht doch wieder der einzelne Mensch seine eigene Entscheidung zu treffen hat. Ob er nun glaubt, ein Hirte zu sein oder ein Schaf. 

Seine Konstruktion, wonach die Kardinäle, die ihn zum Papst wählten, der göttlichen Vorsehung gemäß handelten, bringt theologisch betrachtet nichts, denn die Vorsehung entzieht sich nach jedem mir erkennbaren Bibelverständnis jeglicher Beurteilung durch den Menschen. Ansonsten gerät der Glaube in den Strudel der Theodizee und wird versucht, über Gott zu richten. 

Die Vorsehung ist nach meinem Theologieverständnis universell, also alles umfassend, ob uns nun gefallend oder nicht. Die Berufung auf die Vorsehung suggeriert jedoch die Fähigkeit, dass Gottes Wille erkannt sei - und das ist m.E. ganz und gar nicht mehr "bescheiden".

Der Papst sollte mit der Vorsehung sparsamer sein, denn auch er kann Gottes Willen nicht kennen, sondern nur solche Hoffnung haben. Sonst säße er über sich selbst zu Jüngstem Gericht.

Ich halte für wahrscheinlich, dass er ein ähnliches Verständnis davon hat wie ich, aber dann sollte er den Unterschied zwischen Erkenntnis und Hoffnung stärker betonen.

Sven20050820

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