Seid besser wertprogressiv !

schon schade, dass wertprogressiv weniger gebräuchlich ist als wertkonservativ

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Moni D.: "was man ja ändern könnte"

@Moni, dat is' mühsam, aber Wir schaffen das ;-) 

Christian K.: "Was soll man darunter verstehen?"

msr: naheliegend dürfte sein, dass wir hinsichtlich der Menschenrechte weiterhin Fortschritten verpflichtet sind

Christian K.: "Aber Menschenrechte zu vertreten ist ja eigentlich auch wertkonservativ im eigentlichen Sinn, nämlich solche Werte zu bewahren. Was die sog. Werteunion vertritt, ist nur der Geldscheinclip in ihrem Logo."

@Christian, hinsichtlich der "Werteunion" sind wir uns einig, dass dort Etikettenschwindel betrieben wird.
Menschenrechte erlebte ich jedoch allein schon in meinen wenigen Jahrzehnten im stetigen Widerstreit zwischen konservativen und progressiven Werteverfechtern, z.B. in Anerkennung und Durchsetzung von Frauenrechten, der Homosexuellen usw.

Es brauchte Jahrtausende, um den auf hohen Sockeln stehenden Raub- und Eroberungskriegern moralisch und dann auch völkerrechtlich eine Absage zu erteilen (Briand-Kellogg-Pakt v. 1928).
Es brauchte Jahrtausende zum Wertewandel, die Menschen wenigstens halbwegs gleichzuberechtigen, Abschied zu nehmen von herrenmenschlichen Vorstellungen, wie sie der Sklaverei und auch den aristokratischen Gesellschaftssystemen eigen sind - und im Dünkel bis heute nicht selten.

In Sachen der Menschenrechte sehe ich uns neben andauernden Streitereien zugleich auf Entdeckungsreise, wie uns vieles vorher nicht klar war - und heute viele so tun, als sei es ihnen schon immer "Selbstverständlichkeit" gewesen.

Solch' historische Sicht auf den Wertefortschritt ist wichtig, denn in eigenen Belangen brauchten wir viel Zeit und verzeihen uns viel Vergangenheit, "weil es eben so war", "weil alle so dachten".
Dass alles seine Zeit braucht - und der Aufklärungsgedanke keine Kriege und Tyrannis rechtfertigt, ist ein zunehmend wichtiger Aspekt von Wertedebatte in der sich zunehmend globalisierten Welt.
Die Ungleichzeitigkeit von Kulturentwicklung hat hohes Konfliktpotenzial. Uns muss es darauf ankommen, solche Konflikte friedlich zu führen.

Christian K.: "Als Christ sehe ich, bei allen Mängeln, durch aus ein Fortschreiten in der Entwicklung in der Beziehung von Menschen und Werten. Das mag moderen Menschen zu langsam dauern, gedauert haben, aber es schreitet voran!
Im Alten Testament steht "Auge um Auge" - heute eine Formel für Rache, zur Zeit der Entstehung ein Fortschritt: Nur ein Auge für ein Auge und nur einen Zahn für einen Zahen und nur ein Leben für ein Leben. Der Appell, seine Genugtuung nicht in Gewaltexzessen zu suchen, sondern sich hier zu beherrschen und zu mäßigen.
Jesus geht da noch weiter und fordert eine Mäßigung ein, die auch auf das verzichtet, was einen zustände und mahnt, auch die andere Wange hin zu halten oder zum geraubten Hemd auch noch den Mantel herauszugeben. Heute nennt man das Deeskalation!
Und auch wenn Christen auf dem Horizont ihrer Zeit meinten, ihre "Rechte" mit Gewalt durchsetzen zu dürfen oder gar zu müssen, so sieht man auch innerhalb der katholischen Kirche mittlerweile vieles kritisch.
Möglicherweise geht auch im weltlichen vielen vieles zu langsam. Und es wird immer wieder Rückschläge geben, aber letztlich geht es immer um dieselben alten Werte, die zu Deeskalation, Ausgleich und Koexistenz führen. Egal, ob man es Nächstenliebe, Solidarität oder Völkerverständigung nennt.
Das Problem ist nicht, Werte zu bewahren und daran festzuhalten. Die Frage ist eher, warum Menschen sich nicht mehr an Werte halten. Oder religiös ausgedrückt, warum manchen nichts mehr heilig ist. Dann verliert man nähmlich den - Achtung: Wert: - Respekt. Respekt vor dem anderen und vor dem Leben."

Christian K.:, damit lässt sich leben, denn so ähnlich mit zweitem Post unter Paul Ott ausführlicher gesagt:
Wahrer "Fortschritt" bedeutet wie in der Wissenschaft, dass Richtiges erhalten bleibt und Falsches durch Aufklärung friedlich ins Museum kommt. - Das nenne ich "wertprogressiv".

Nun bisschen spaßiger, denn mein religionsschonendes Ostern-Schweigelübde endete gestern:

"Als Christ", der ich war, fehlte es mir bei Jesu Jüngern an Quote und die Paulus-Sprüche zur Rolle der Frau unter dem Manne waren mir halt bestenfalls drollig. - Es brauchte lange, bis die Ursünderin Eva zum Wahlrecht kam.

All das - und doch noch immer nicht überall oder hinreichend - stand und steht für das Erfordernis wahrscheinlich ewiger Werteprogression.

Das war jetzt kein Vorwurf, der exklusiv an die Adresse von Christentum/Religionen gerichtet wäre, denn Religionen und andere Ideologien spiegeln mir ja bloß wider, wie die Menschen in so großer Mehrheit über sich dachten und miteinander machten.

Unserem Zeitgeist ist auch dem Werteverstand ein Horizont als Grenze beschieden, aber diese Grenze lässt sich verschieben, wenn wir auf den Horizont zugehen.
Und doch hoffe ich, dass solches Bild nicht dazu führt, dass wir am Ende dort ankommen, wo wir herkamen ;-)

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Paul O.: "Na ja, "wertkonservativ" ist ein durchaus sinnvolles Verhalten. Die Grünen zum Beispiel sind wertkonservativ, wollen bewahren, was naturnah ist."

ja, als "konservativ" begründeten sich grüne Anfänge, aber es war ein Fortschritt für das Werteverständnis, auf die Natur Rücksicht nehmen zu müssen - und steht gesellschaftlich wie menschheitlich noch immer hinter dem Raubbau an Natur zurück, weil uns andere Werte wichtiger sind

Paul O.: "Deswegen ist auch die Definition nicht immer eineindeutig."

@Paul O. ist mir klar, dass wenn Gleiches gemeint ist, dann der Begriffsunterschied weniger relevant ist, aber prinzipiell sind Begriffe dem Begreifen verpflichtet - und der Begriff "Fortschritt" ist in seiner Bildersprachlichkeit missverständlich, als wenn wir von A nach B schreiten und A verlassen würden.

"Fortschritt" weniger als Weg und eher wie "Wissenschaft" aufzufassen, wäre richtiger, denn Wissenschaft behält altes Wissen, solange es durch Wissensmehrung nicht von neuem Wissen widerlegt wird. - In solchem Verständnis relativiert sich das "Bewahren" im "Fortschreiten".

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Bürgün G.: "Wertkonservativ ist ja nicht per se was schlechtes. Die Werte Hilfsbereitschaft, Solidarität, Gerechtigkeit, u.v.a.m. gehören dazu. Der Begriff wurde von den wirtschaftsliberalen Extremkapitalisten okkupiert und umgedeutet."

@Bürgün G., schaue bitte mein 2. Post unter Paul Ott zum Bewahren im Fortschreiten.
Viele Wertkonservative verkennen oder vergessen, wie schmerzlich ihnen zunächst Wertefortschritte waren, die ihnen heute längst selbstverständlich wurden.
Aber es sind gewiss die Besseren im Vergleich zu welchen, die zum Recht des Stärkeren zurück wollen. - Letztere nenne ich dann auch nicht "wertkonservativ" oder irgendwie "liberal", sondern "reaktionär".

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Wolfgang H.: "Was passiert erst wenn wertrevolutionär die Runde macht?"

ich könnte mir vorstellen, dass wem z.B. die aristokratische Ordnung heilig war, dem mochte die Brüderlichkeit und spätere Geschwisterlichkeit ziemlich "wertrevolutionär" vorkommen

Oder für das Christliche war vieles "ich aber sage Euch" ebenfalls "revolutionär".
Ein Problem mit dem Adjektiv "revolutionär" ist halt, wie sehr im Gebrauch inflationär - in der Werbesprache oft bloß für kleinste Fortschritte, während für größere Fortschritte, die Vorheriges an Wert stärker einbüßen lassen oder gänzlich entwerten, dieses Adjektiv schon angebrachter ist.
Aber im Unterschied zum "Fortschritt" ist bei der "Revolution" i.S.v. Umwälzung oft mehr Fleischwolf als Waschmaschine.

Markus S. Rabanus 20210405 / 06      zur >> Facebook-Debatte 

>> es war schon immer so

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