Zwangsehe
Derweil bejammert der Fremdenfeind das Elend zwangsverheirateter Muslime. Und möchte sie sodann aus purer Menschenliebe in Gebiete abschieben, in denen die Zwangsehe erlaubt ist.
Zwangsehen sind unvereinbar mit den Menschenrechten, dennoch ist viel der Kritik an Zwangsehen dummer Antihumanismus und/oder von fremdenfeindlichen Motiven dominiert.
Tatsache ist, dass die Eltern solcher Zwangsverehelichten längst nicht immer aus Rücksichtslosigkeit gegen ihre Kinder handeln, sondern oft genug im Glauben, das Beste für ihre Kinder zu kennen und zu tun. Im Festhalten an Traditionen, in denen sie möglicherweise selbst "zwangsverheiratet" wurden, sich nicht in wenigen Fällen aneinander gewöhnten und zu lieben begannen. - So jedenfalls die Antworten vieler Zwangsverheirateter, wenn sie nur mal endlich jemand tatsächlich danach befragt - oder es kommen nüchterne und traurige Antworten, aber dann eben auch mit der Schlussfolgerung, den eigenen Kindern solches möglichst nicht anzutun.
Andererseits, so sagen viele, sind auch viele zwanglos geschlossene Ehen nicht glücklich, denn die Unverbindlichkeit gegenüber den Eltern setze sich in den Ehen fort. - Auch das ist nicht "weltfremd", gleichwohl keine taugliche Rechtfertigung für die Zwangsehen.
Wer die besseren Motive für die Zwangsehe
ausblendet und das Thema auf die Bosheit reduziert, was durchaus passieren kann,
je fremder uns solche Sitten sind und je öfter Zwangsverheiratete sich
überhaupt an die Öffentlichkeit trauen, vor allem aber je mehr harsche Kritik
an Zwangsehen durch unsere Medien geht, der überschätzt die
Entwicklungsvorsprünge unserer heutigen Auffassungen gegenüber
traditionalistischen Auffassungen.
Wie sah es in Deutschland noch vor drei, vier Jahrzehnten aus? Heute tun es
womöglich nur noch die wenigsten Paare, dass sie sich den künftigen
Schwiegereltern mit der Frage vorstellen: "Darf ich um die Hand Ihrer
Tochter anhalten?"
Solche Frage ist aber Relikt aus Zeiten, in denen eben tatsächlich nicht
Sohn/Tochter entschieden, ob und wen sie heiraten, sondern die Eltern
entschieden, wenngleich je nach sozialer Schicht mit unterschiedlichem
Gewicht.
In den niederen Kreisen geht es bezüglich der Heiraterei längst oder schon immer freizügiger zu als in den gehobenen Kreisen, denn die Niederen haben durch Eheschließungen kaum zu gewinnen und kaum zu verlieren. In den oberen Kreisen indes, allen voran in Adelskreisen, sind die Sitten unverändert, dass nicht das ihnen dumme Herz, sondern die Gesinnung für Titel und Geld bestimmt, wer sich wem ehelich bindet.
Daran änderte auch die Aufklärung wenig, wenngleich der Schlüsselloch-Journalist ein Millionenpublikum mit Romanzen füttert, wie doch das Aschenputtel zur Königin wird. Denn auch das gab es schon immer - und nicht nur in Märchen, dass jede Regel Ausnahmen macht. Und das wird nicht anders, wofür die Luxusreservate - genannt Privatschulen, Elite-Universitäten und Clubs - schon sorgen, so dass die Chance der "standesgemäßen" Entwicklung einschließlich dazu passender Verbindung erhalten bleibt - das Paralleluniversum der Reichen, damit sich zumindest der Schaden in Grenzen hält, falls sich das vor Pfaffen und Knipsen Verpaarte wieder entzweit. Das ist nicht bloß betriebswirtschaftlich, sondern auch emotional rational, denn zu schnell verliebt sich das Elend in den Reichtum, und kaum erlangt, war es das dann mit der Liebe. Einzig die Trägheit sorgt für den Halt, verliert sich aber durch Gelegenheit.
Derweil bejammert der Fremdenfeind das Elend zwangsverheirateter Muslime. Und möchte sie sodann aus purer Menschenliebe in Gebiete abschieben, in denen die Zwangsehe erlaubt ist.
msr201006
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