Dialogie der Perspektiven      unfertiger Text

Hallo Noah,

hast Londo kennengelernt:-) Immer ein bisschen nörglerisch, aber seit langem dabei.

Dass wir so viel machen, hat ebenso viele Gründe wie positive und negative Konsequenzen. Chancen und Überforderungen.

Für den Antifaschismus-Bereich sehe ich es so, dass zwar auf der Webseite www.Nazis.de die Fokussierung auf die "Hobby-Themen" von Rechtsextremisten sinnvoll ist, aber dann möglichst rasch die Blicke geweitet werden, dass sich die Welt also nicht um den Faschismus dreht, sondern letzteren als gefährlichen Teil menschlicher Dummheit versteht und verwirft.

Dass Du den Einführungstext zum Talmud-Eintrag nachbessern willst, scheint auch mir notwendig. Londo wird das zwar in seiner Eitelkeit rühren, andererseits weiß er Besserwissen gut zu schätzen. 

Dass er Dich darauf ansprach, bestätigt meine Einfach-These, wonach "die Vertreter besser werden, wenn die Vertretenen zugegen sind". Zumindest sensibler.

Aber auch wenn die "Vertretenen" selbst miteinander reden, sind die Probleme noch längst nicht vom Tisch, wie Du im direkten Umgang mit Rechtsextremisten erlebst.

Die Verständigung bleibt aus, wenn das Trennende so besprochen wird, dass Gemeinsames aus Blickfeld gerät, anstatt Gemeinsames zulasten des Trennenden zu entwickeln. 

Aber "Politik" ist vielen nur Beschäftigung, wenn es "spannend", "unterhaltsam" oder Einkommen ist, unmittelbar Probleme löst, ... Das sind schon verschiedene Dinge, die sich dazu noch mischen. 

Die Dialogie tut sich zwangsläufig schwer, die jeweils individuell und sachlich entsprechende Ebene zu treffen. 

Deshalb versuchen wir es 

a) über möglichst alle uns zur Verfügung stehenden Kommunikationsarten (Websites, Mails, offene und versteckte Foren, ebenso Chats) und 

b) über verschiedene Arten des Dialogstils (spaßig, ernst, locker, pathetisch), was zugleich jedes Menschen innere Eigenvielfalt ist,

c) über die Vernetzung möglichst vieler Themen,

d) und Teilnahme möglichst vieler Perspektiven (Stellvertreter, Vertretene, Freunde, Feinde, Durcheinander:-) 

d) in "variabler Tiefenschärfe", also für den oberflächlichen Betrachter anders als für den sehr Interessierten. Beides ist gleichermaßen anspruchsvoll, denn die Kürze muss stimmen und die Länge auch.

e) das www.Dialoglexikon.de dient vor allem der Auffindbarkeit von Themen, damit sie vernetzt und ergänzt werden können und der Zusammenfassung, ist aber nicht nur "Gedächtnis", sondern durch die Diskutierbarkeit und Ergänzung einem "kollektiven Gehirn" recht gleich. Allerdings ein noch sehr dürftiges Gehirn und in vielem technisch unreif.

Die Zusammenfassungen können dabei entweder selbst die Pluralität der Ansichten spiegeln, mindestens aber lassen sie es durch die verlinkten Diskussionen zu.

Die Pluralität sollte dabei Vorrang genießen gegenüber der der individuellen, ideologischen, religiösen, allgemein kulturellen Wahrheit: Die Pluralität soll also der "Wahrheit der Perspektive" vorgehen.

"Multikulti" ist im Grunde genommen JEDEM eine Weltanschauung = Weltwahrheit, aber nicht in der Weise bewusst, dass allein die friedliche Vereinbarung dieser Multikultur, eben dieser Pluralität Schlüssel zur Lösung von Menschheitsproblemen sein darf, wenn die Menschheit nicht mittels ihrer enormen Technologien ihren Interessenwidersprüchen selbst zum Opfer fallen will.

Noch ein Aspekt:

Schon mehrfach erörtert ist, dass die Mitwirkung der "Vertretenen" die "Stellvertretung" verbessert. Dennoch sollte dadurch nicht die "Stellvertretung" entfallen, denn sie ist eine unvermeidliche Erscheinung in allen Bereichen der Gesellschaft, insbesondere der Politik.

Es wäre also gut, wenn

a) die Distanz zwischen Stellvertretung und Vertretung in unseren Webs erkennbar bliebe als verallgemeinerbares Grundproblem und 

b) Stellvertreter und Vertretene ihre bilateralen, dialogischen Defizite erkennbar machen, wodurch die Stellvertreter vom Anwalt zum Beispiel der vertretenen Juden zu Verständigungsbrücken zwischen Juden und Antisemiten werden.

In multikulturellen Initiativen herrscht häufig ein fatales Schweigen. Streitthemen werden für unlösbar gehalten und bleiben folglich ungelöst oder es bricht an ihr das Miteinander. Weil es um "Höheres" geht, das es ja auch immer gibt, werden die kleineren Dinge nicht angesprochen. 
Es wird vermeintlich und tatsächlich aufeinander Rücksicht genommen, aber es ist meist eine Rücksichtnahme, die auf Vertrauenslosigkeit beruht.

Bei uns ist das anders. Zumindest bemühen wir uns darum: 

In unserem größten Publikumsbereich und besonders schwierigen Projekt www.Zigeuner.de geht die Rücksichtnahme zwar so weit, dass wir unsere Probleme zwischen Roma, Sinti und Jenische, aber auch zwischen diesen drei Gruppen und den Chale (=Nichtzigeuner) nicht öffentlich diskutieren, aber dafür interne Foren haben, in denen wir kontrovers und nun nach Jahren immer vertrauensvoller und geübter Streitfragen diskutieren. Persönliches Kennen und Charaktere sind von Bedeutung.
 
Ohne Öffentlichkeit hält sich der Streit in engeren Grenzen, Fehler sind erlaubter, weil ihre Reichweite kürzer ist.
 
Die Streitfragen selbst sind davon längst nicht sämtlich zu erledigen, aber es übt sich der Umgang und mehrt sich das Wissen, was die Handlungsspielräume für das Management der "Konflikte da draußen" erweitert.

Ein markantes Moment der Dialogie ist, dass sich die Verständigung dadurch erleichtert, dass man die Forderung nach Rücksichtnahme mit der Forderung nach Fehlertoleranz verbindet. Es soll also nur derjenige Rücksicht beanspruchen, der das Vorurteil in seiner eigentlichen Qualität zu verstehen bemüht ist >>  Vorurteile und also die damit oft einhergehende Beleidigung als Folge aus mangelnder Aufklärung begreift.

Die Dialogie unseres Projekts kommt in den meisten Bereichen ohne die "Stellvertretung" nicht aus. Insbesondere, wenn es um die ganz großen Fragen von Krieg und Frieden, Welthunger geht. Die Sprachbarrieren sind zu hoch und vor allem fehlen den "Vertretenen" die technischen Möglichkeiten.

Etwas näher dran an direkter Dialogie sind wir im Schwerpunktbereich Kurden und Türken. Die dort Diskutierenden sind zwar ortsverschieden von denen, die sich in den Kurdengebieten noch immer militärisch begegnen, aber mental beziehen sie trotzdem aus dem Konflikt der Heimat ihrer Eltern die Streitenergien, obwohl sie hier in Deutschland eigentlich gemeinsam zur Schule, zur Uni, zur Arbeit gehen, gemeinsam als Minderheit Probleme haben.   ....unfertiger Text

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