ICAN 20170726 Tagebuch
Da etwas spät los, musste ich den Roller nehmen, Regen ;-) , halbwegs
pünktlich, denn die Runde stellte sich grad einander vor.
Es folgte ein Dia-Vortrag zum Ablauf der Verhandlungen und den
NGO-Aktivitäten.
Von den vortragenden ICAN-Leuten waren mehrere wochenlang als
Verhandlungsbeobachter in New York, hatten ihre liebe Mühe, denn die
UNO-Security erwies sich als "robust" und ließ im Verhandlungssaal
kaum Rankommen an die beteiligten 122 Diplomaten bzw. Delegationen, es sei denn
umgekehrt.
Mitunter aufreibend, weil die Schweiz wackelte (letztlich zustimmte) und die Niederlande für Gegenstimmung sorgte, aber schlussendlich die einzige Gegenstimme blieb. Singapur "enthielt" sich, alle anderen stimmten zu. Das war besser als erwartet.
Inhaltlich fand bspw. ein "Atomwaffen-Transit-Verbot" nicht in den
Vertrag,
- aber hätte womöglich zu Stimmenverlusten geführt
- und kann Abkommen der Vertragsstaaten mit den Atommächten vorbehalten
bleiben.
- Überdies kann es sich für "kernwaffenfreie Zonen" ergeben.
Arg umstritten "das unveräußerliche Recht ... auf Kernenergie für
friedliche Zwecke", wie es in die Präambel gedrückt wurde (und vorerst
mal besser der Sonne vorbehalten wäre),
aber die Kröte galt es zu schlucken, denn es hätte zahlreiche Stimmen
gekostet. - Naja, wäre mehr Muße auf solchen Veranstaltungen, hätte sich
zumindest die Überhöhung "unveräußerliches Recht" als absurd
vermeiden lassen, zumal sich hinsichtlich nationaler Souveränitätsrechte ganz
allgemein welteinbürgern sollte, auf nachbarliche Belange Rücksicht zu nehmen,
z.B. ein stets "letztlich experimentelles" AKW wenigstens nicht
grenznah zu bringen, denn sie "explodierten" halt doch
verschiedentlich, obgleich genau das von der Atomlobby in der Epoche der
Weichenstellung stets striktst & frech bestritten war.
Dass der Atomwaffensperrvertrag durch diesen Atomwaffenverbotsvertrag geschwächt werde, wie teils von hiesigen Politikern und Medien getreu den Vorgaben aus Washington und Moskau behauptet, war eine der Fragestellungen unseres Treffens. aber auch mir bei aller Geneigtheit zur Berücksichtigung von Gegenargumenten nicht annähernd nachvollziehbar, sondern spekuliert auf die Ahnungslosigkeit des Publikums.
Der Atomwaffensperrvertrag wird im Verbotsvertrag mehrfach bekräftigt, zumal für den Verbotsvertrag unverzichtbar, dass sich die nicht nur die Atomwaffenverzichtsstaaten, sondern auch Atomwaffenmächte an den Atomwaffensperrvertrag strikt halten bzw. dessen Artikel 6 nachkommen, denn wie in meinem vorherigen Posting angedeutet, braucht es vermutlich ausgefeilte "Zug-um-Zug-Verträge", um die Atomwaffengroßmächte zum Verzicht zu bringen.
Artikel 18 Verbotsvertrag sichert obendrein den Fortbestand vorheriger Verträge zu, soweit sie nicht im Widerspruch zum Verbotsvertrag stehen.
Vereinzelte Hoffnungen auf "schwächste Glieder", z.B. Großbritannien wegen ausschließlich in Schottland stationierter Atomwaffen und dortigem Separatismus, halte und behauptete ich für irrwegig, zumal sich Infrastruktur verlagern lässt und Separatismus nun ooch nicht sowat unzweifelhaft Dolles ist.
Wie nun weiter?
1. Einerseits Ratifizierungsprozess begleiten iSv Öffentlichkeit informieren, denn das wird seitens der Massenmedien allenfalls Randnotiz bleiben.
2. Die Unterschriftenkampagne sprach ich an, wie im Weltbürgeforum
besprochen.
Die ICAN-Vertreter haben allerlei Negativerfahrungen, aber dürften verstehen,
dass es nicht gut sein kann, wenn irgendwelche Spinnergruppen auf diesen Wegen
Wichtigtuerei mit womöglich unbedarften Texten an den Tag legen können, weil
sich die wichtigeren Organisationen solcher Aktion enthalten und mit Büchel die
Zeit vertreiben.
Die Büchel-Aktionen bleiben wichtig, auch die Postkarten-Aktion an
Parlamentarier des eigenen Wahlkreises, aber Büchel, Büchel, Büchel -
sicherlich geht das nicht allen so, aber mir ist es fast wie Würselen.
Zumal einhellig eingeschätzt wurde, dass die künftige eher noch passiver als
die amtierende Bundesregierung in Sachen Büchel wird.
Mein Eindruck, ob hier oder anderswo mitgeteilt, dass in keiner Regierungs- oder Oppositionspartei Kreise oder Persönlichkeiten mit ernsthaften Atomwaffenverbots-Ambitionen unterwegs sind, bestätigte sich leider in den ausführlichen Darlegungen eines IPPNW-Mitglieds, der für die Lobby-Arbeit mit Zielgruppe Parteien/Politiker zuständig scheint. Und die ansprechbarsten Politiker scheiden aus.
Und wer jetzt vor den Wahlen nicht mit Atomwaffenverbot "punkten"
wolle, von dem sei es auch nach den Wahlen kaum zu erwarten. Leider plausibel.
Es scheine eher so, dass sich die deutsche Politik kollektiv einbilde, an dem
Thema die Finger zu verbrennen.
Und ganz von der Hand zu weisen ist es m.E. nicht, denn "wie sage ich es meinen Franzosen"?
Gerade deshalb ist die Unterschriften-Sammlung für den Beitritt zum
Atomwaffenverbotsvertrag eine wichtige und richtige Sache, denn die Regierung
schleicht sich aufgrund ihrer Rücksichtnahmen auf internationaler
Regierungsebene an dem Thema vorbei.
Bin eher zuversichtlich, dass es dann auch von der dt. ICAN-Sektion
durchgeführt wird, jedenfalls bleibe ich dran. Es ist ja auch eine sehr
angenehme, bestens informierte und informative Organisation.
Beigetreten als Fördermitglied bin ich am 20. Juli, demnächst vielleicht
desgleichen IALANA, aber mal abhängig davon, ob, wie und wo die tagen.
Wenn da nicht genug ist, dann müssten wir eher mal auf neue Suche durch den Berliner Parteien-Krams gehen, ob sich nicht doch wat über Parteigrenzen hinweg an parlamentarischem Arbeitskreis zum Thema finden lässt - oder halt einige Parlamentarier Richtung ICAN.
Im Hinblick auf UNO-Pazifismus und die Weltbürgerei kann ich nur bestätigt sehen, dass dieser Atomwaffenverbotsvertrag eben auch einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg der Weltdemokratisierung darstellt, wenngleich Weltrepublikanisierung zwar noch wat anderes ist - und Umsetzung von UNO-Gewaltmonopol ebenfalls.
Meine Erwartungen wurden durch den Text teils übertroffen, teils blieb es dahinter zurück, denn ich hatte mehr Vorgaben in Richtung Atomwaffenmächte gewünscht, um dem Artikel 6 Atomwaffensperrvertrag eine "Zug-um-Zug-Marschroute" zu verpassen.
Aber besser geht immer, schlechter allerdings auch
Und ich sollte auch nicht vergessen, dass ich mit solcher emanzipierten und weitgehenden Staaten-Initiative der Atomwaffenverzichtsstaaten schon kaum mehr wirklich rechnete, denn immerhin beschaue ich mir dieses Thema spätestens seit meinem 15.Lebensjahr ;-), also fast seit Inkrafttreten des Sperrvertrages.
Zwar waren immer vernünftige UNO-Generalversammlungsinitiativen und harsche Kritik bei den Sperrvertrags-Überprüfungskonferenzen, aber 47 Jahre brachte man nichts Bedeutenderes zustande. Allenfalls das IGH-Gutachten, aber zu knappe Mehrheit.
Insbesondere erfreulich, wie ERNST inzwischen das Risiko eines versehentlichen Atomkriegs genommen wird, denn auf dem jahrzehntelangen Verschweigen der "Zwischenfälle" beruht der Glaube an die Superwaffe ganz wesentlich. Noch immer wissen viele Menschen weltweit nicht, wie häufig die "Zwischenfälle" waren.
Und endlich auch der Aspekt, dass wenn sich zwei streiten, sie dann nicht den Rest der Menschheit mit ins Grab nehmen dürfen. Das ist ein derart zentraler Aspekt, den die dualistischen Apologeten des Ost-West-Konfliktes stetig unter den Tisch fallen ließen. Er war von vielen Drittländern beklagt, aber nun völkerrechtlich verschriftlicht.
Soweit.
Nebenbei: Ganz schön an dieser Terminwahrnehmung, dass IPPNW vielleicht helfen kann, eine bei uns rumliegende Spende an an den russischen Staatsbürger Stanislaw Jewgrafowitsch Petrow weiterzuleiten, dem es zu verdanken ist, am 26. September 1983 einen versehentlichen Atomkrieg verhindert zu haben, indem er als leitender Offizier in der Kommandozentrale der sowjetischen Satellitenüberwachung einen vom System interpretierten Angriff der USA mit nuklearen Interkontinentalraketen auf die UdSSR als Fehlalarm einstufte.
LG aus dem verregneten Berlin!
ps: hier noch mal ICAN-Zusammenfassungen den Atomwaffenverbotsvertrag
betreffend,
http://www.icanw.de/neuigkeiten/faq-zur-verabschiedung-der-vertrages
www.Friedensforschung.de |