Moralerziehung | |
All unsere Bemühungen um politische Vernunft
sind zum Scheitern verurteilt, wenn wir uns darauf verlassen würden, dass
Aufklärung und Bildung ausreichten, um die Verhältnisse zu bessern. Je
mehr wir den Menschen mit Wissen ausstatten, desto mehr sind wir darauf
angewiesen, den Menschen zu motivieren, sein Wissen in sozialer
Verantwortung zu nutzen.
Aufklärung und Bildung sind keine Garanten für politische Vernunft. Dieser Text richtet sich nicht an Schlaumeier, sondern soll "einfach nur einfach" sein, aber wir bemühen uns um Richtigkeit: Moral scheint ein Begriff aus der Mottenkiste, denn die Moral sorgt sich zumeist um Verhaltensweisen, die sich in der Vergangenheit "bewährt" haben. ("bewährt", also "bewahren") Was sich allerdings wirklich "bewährt" hat, ist oft im
Streit der Generationen. So wird die Moral von Generation zu Generation viel von denen gepredigt, die möchten, dass ihre Kinder keine "neuen Wege" gehen. Aber die Kinder tun es trotzdem und mit ihren Wegen verändert die Moral ihren Inhalt - immer "etwas hinterher" und wieder werden die Kinder ihren Kindern "Moralpredigten" halten, so sehr sie selbst sich gegen die Moral der Eltern verwahrten. Moral als zukunftsbezogener Begriff ist durch diese Alltagserfahrung kaum verständlich. Doch überlegen wir zunächst, wie wir Moral definieren können, indem wir seine Momente auflisten: - Moral als "gesellschaftliches Gewissen" - Gewissen als "individueller Unterscheidungsmaßstab für Gut und Böse" - Gut und Böse als "Wirkung für den Einzelnen und die Gesellschaft" Hinsichtlich der Beurteilung zahlreicher "Wirkungen" sind sich die Menschen immerhin so einig, dass sie daraus Gesetze basteln: Strafgesetze, Zivilgesetze und viele Verordnungen und Satzungen: - Normen sind also Teil der Moral. Würden Verstöße gegen diese Normen nicht bestraft, so wäre beispielsweise der Dieb besser gestellt als der Bestohlene und das Verhalten des Diebes wäre "vernünftiger" als die Arbeit des Bestohlenen, wenn der Erfolg der Arbeit durch Stehlen vernichtet werden dürfte: - Vernunft ist also Teil der Moral und soll dem Vernunft ist wie die Moral einem stetigen Inhaltswandel unterworfen: galt vor Jahrhunderten noch als "vernünftig", dass es Könige und Untertanen gab, so ist das mit dem heutigen Menschenbild der rechtlichen Gleichwertigkeit allen menschlichen Lebens unvereinbar geworden. Dass sich gleichwohl viele Bosse in Politik, Wirtschaft und Familie anders verhalten und trotzdem von vielen Benachteiligten angehimmelt werden, zeugt von der Unreife des Menschen, seinen theoretischen Erkenntnissen praktisches Verhalten folgen zu lassen: - Moral erkennt den Unterschied von Soll-Zustand und Ist-Zustand Auch Ideologien und Religionen enthalten und entwickeln
"Moralvorstellungen". - Moral strebt nach Vervollkommnung gerechter Verhältnisse Tourismus, Handel mit Rohstoffen, Filme, Sportereignisse, die Kultur
- alles wird allein durch den technischen Fortschritt andauernd
"globaler". - Moral muss sich also durch Übereinkünfte globalisieren Der künftige Mensch wird also nicht anders leben, als seine Moral entwickelt wurde. Also ist Moral ein "Zukunftsbegriff", denn wir brauchen Vorstellungen von künftigen Rechtsbeziehungen zwischen vermehrt miteinander in Kontakt kommenden Staaten, aber zugleich auch vermehrtem Kontakt zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft und Moralvorstellung. Die Mobilität ist kein moralisch vertretbares Vorrecht für die Menschen mit gefüllten Geldbeuteln, so sehr sich diese Menschen ihrer Privilegien erfreuen und einbilden mögen, dass sie sich diese Vorrechte "verdient" hätten. Kein Mensch, denn so schlau sind sie alle, lässt sich freiwillig
das Recht auf Leben und Chancengleichheit absprechen. Wer ermöglichen möchte, dass die Menschen in ihrer Heimat bleiben, der wird daran mitwirken müssen, dass die Menschen auch dort menschenwürdig leben können. Aber wie auch immer es kommen mag, ob sich nun die Lebensverhältnisse angleichen oder nicht, die Menschen werden sich in ihrer Freiheit keine Grenzen setzen lassen Um dieses erforderliche Regelwerk (=gemeinsame Moral) zu entwickeln, brauchen wir Kenntnis von den Moralvorstellungen "der anderen", denn Übereinkünfte setzen die Einbringung der Beteiligten voraus. Die Freiwilligkeit ist dabei der Garant für die Friedlichkeit. Das unterscheidet internationales und multikulturelles Zusammenleben nicht vom Einkauf des Brötchens: Bäcker und Kunde müssen das Geschäft wollen, ansonsten hat es zu unterbleiben. Wer hingegen versucht, das Brötchen kraft vorgehaltener Pumpgun zu "kaufen", gehört ins Gefängnis (nach unseren "Moralvorstellungen" - und das ist gut so: - Moralität bedeutet den Zwang zur Strafe, damit der Moralverstoß unterbleibt Die Nichtbestrafungsideologie von einigen Vertretern etwa der antiautoritären Erziehung überfordert den Menschen, denn sie vertraut auf eine Vernunft, zu deren Moralität die Bildung genüge. Aber das ist selten der Fall. Der Mensch ist zwar nicht von vornherein schlecht, aber oft ist er auch nicht besser, als wir ihn notfalls durch Zwang dazu veranlassen. Und schließen wir trotzdem mit der Betonung, dass sich die Moral ändert und auch ändern muss, damit sie den Gesellschaften Gewissen bleibt und nicht zu Doppelmoral derer verkommt, die sich darauf berufen und sich selbst nicht daran halten: - Moral ist, worüber der Streit nicht enden kann, wir müssen den Streit nur so führen, dass wir nicht darin untergehen, sondern gemeinsam daran gewinnen. sven
2002? |
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Strafrecht statt Moral? Ist Moral überflüssig? (Quelle: Universität Marburg) Dialog-Lexikon