postfaktisch - Modewort zur scheuen Vermeidung des Begriffs Lüge
So sehr ich Religiöse respektiere, zumal in liebster und vereinzelt weit tafferer Verwandtschaft:
Wenn Religiöse denn tun, was Vernunft hat und ethisch genügt, sie meinethalben auch auf Himmelfahrt hoffen lässt, darf mir niemand auch nur ansatzweise übel nehmen, wenn ich es für unbotmäßig halte, dass ausgerechnet so vielen unserer bekennenden Staatschristen und Muslime der Begriff "postfaktisch" nicht auch für den eigenen Glauben steht.
Was nun ganz und gar nicht behauptet, ich wisse etwas besser, sondern bloß besagt, dass Fakten fehlen und Gebete verpuffen, wie sie bspw. zu Syrien in vielen Kirchen und Moscheen keine Seltenheit sein dürften. Weil entweder niemand im Himmel ist, in die so viele möchten, oder andere Interessen hat, als das Treiben auf Erden zum Wohle aller zu wenden.
Ich schlage keine Kinder - und lasse sie auch einander nicht schlagen, um daraus zu urteilen, wer in Himmel oder Hölle gehört.
Nun mag man zutreffend sagen, ich sei ja auch nicht Allah oderGott, aber dann wäre Problem, weshalb der Allmächtige mehr Übel zulässt als ich es in meiner Unzulänglichkeit dürfte - und dafür angebetet wird und nicht ich?
Das allerdings sei kein mein Begehr, sondern bloß Kritik als sehr ernste Frage. Und bitte auch nicht im Stillen irgendwelche "postfaktischen" Antworten, sondern welche, die mit dem Verstand und dem Gewissen - ob gottinspiriert oder eigengebrödelt - gefälligst vereinbar sind.
Eine innere Stimme fragt mich - und vermutlich bloß mein dürftiges Hirn:
"Warum tust du das? Warum verschweigst du nicht einfach, was du denkst, wenn du doch weißt, wie es Gläubige beißt und zurückbeißt? Sind dir denn deine anderen Anliegen nicht wichtig genug, dass du riskierst, menschlich und auch politisch alles zu verspielen? Wenn du sagst, was du denkst?"
Nein, ich will so naiv sein, dass die Menschen Aufrichtigkeit nicht nur aushalten, sondern freudig wollen und Themen zu unterscheiden wissen.
Vielleicht ist auch das "postfaktisch", doch dann keine Lüge, sondern Fehlspekulation, aber ein Luxus, den ich mir eher leisten darf als unsere gewählten Entscheider.
Markus S. Rabanus 2017-04-12
Oder anders, dass sich
jeder einfache Mensch üben müsste in Aufrichtigkeit, bis sie nett und
selbstverständlich genug endlich auch Politik werden kann.
In der Demokratie gehe alle Macht vom Volke aus. Vielleicht ist es mit der
Aufrichtigkeit ähnlich. Und weder die Macht noch die Aufrichtigkeit werden
jemals einheitlich oder langweilig sein.