Wir erhalten viele Zuschriften, die Hitler und Kindesmördern
keine Würde zugestehen.
Rechtlich ist die Wertung dennoch eindeutig:
Die Menschenwürde i.S.d. Art.1 GG gilt
ausnahmslos
und unverlierbar als
Grundsatz jeder menschlichen Gemeinschaft.
Folgerichtig ist Art.1 GG einer Verfassungsänderung
nicht zugänglich (Art 79 Abs.3 GG).
Moralisch verhält es sich damit nicht anders:
Die Moral einer Gesellschaft spiegelt sich unter anderem in
deren rechtlichen Wertungen.
Woran entzündet sich also der Streit ?
Die Ablehnung, schlimmsten Menschen Würde zuzuerkennen,
resultiert aus unserem
"natürlichen Streben nach Gerechtigkeit",
welches
in Vergeltungsbedürfnis mündet
und in dem Wunsch der Nichtwiederholbarkeit.
Die archaischen Rechtsgrundsätze
zu diesen Bedürfnissen
lauten:
"Auge um Auge,
Zahn um Zahn." = Vergeltung
und "Schlagt dem Dieb die Hand ab." =
Vorbeugung
Dieser Pragmatismus des archaischen Rechts führt dazu, dass
sich die urteilende Gesellschaft in ihrer Reaktion auf das
Niveau ihrer Straftäter begibt.
Sprachlich entstehen die Irrtümer:
Wir sagen :
"Müller verhält sich würdelos."
oder "Wir würdigen das Werk von Meier."
In diesen Begriffsverwendungen ist Würde ein Synonym mit
dem Begriff Ehre. Eine Ehrung für Hitler und anderer
Mörder kommt nicht in Betracht.
Die Würde im Sinne des Art.1 GG meint jedoch etwas
anderes, nämlich der nach unseren Moralvorstellungen
"jedem Menschen zustehende Anspruch auf gerechte Behandlung".
"Auch der schlimmste Verbrecher
verdient ein gerechtes Verfahren."
Was sodann "gerecht" ist, ergibt sich aus der Summe der
Rechtsnormen, ist selbst Wandlungen unterworfen,
steht
wiederum auf einem anderen Blatt.
So bleibt es dabei, allem Schmerz zum Trotz:
"Hitler ohne Ehre, doch die Würde
unverletzlich."
"Kindesmörder ohne Ehre, doch mit Anspruch auf die Würde."
Es sind exakt solche Mühen, die unsere Moral
von derjenigen derer unterscheidet, über die wir
auch aus diesem Grund berechtigt sind, zu urteilen.
sven0103 |