Akzeptierende Sozialarbeit ?
 

www.Initiative-Dialog.de 

  Eigentlich würden wir uns mit diesem Begriff nicht auseinandersetzen, wenn wir nicht immer wieder mit dem Konzept akzeptierender Sozialarbeit in Verbindung gebracht würden.

Um dem gröbsten Missverständnis abzuhelfen: 

Sollte mit akzeptierender Sozialarbeit gemeint sein,  dass sie Hass und Gewalt akzeptiert
so stünde sowohl unser Akzeptanzbegriff als auch unser Toleranzbegriff dagegen, wäre geradezu das Gegenteil unseres Dialogs mit Extremisten.

Auf den ersten und zehnten Blick leuchtet mir der Begriff akzeptierender Sozialarbeit wenig ein, zumal es mir im Extremismus-Kontext zu allgemein scheint, wenn von Sozialarbeit die Rede ist. Problemnäher wäre der Begriff antifaschistische Jugendfürsorge, aber die Politik scheut offenbar klare Begriffe in Anbiederung an jeden, mit denen sie dann trotzdem in Konflikt gerät. 
 
Letztlich sehen wir uns nicht in der Pflicht, einen pädagogischen Fachbegriff zu verteidigen oder anzugreifen, der unterschiedlich gefüllt und interpretierbar ist, wenn seine Autoren unterlassen haben sollten, ihn hinreichend zu substantiieren. 

Eventuelle Konzeptunterschiede und Konzeptgemeinsamkeiten verbleiben somit der Spekulation, wenn nicht eine direkte Gegenüberstellung erfolgt. Mir erscheint ein solcher Abgleich jedoch zu mühselig, unnötig und unergiebig, zumal ich zu oft kritische Stellungnahmen zur akzeptierenden Sozialarbeit beobachtete, die weniger auf einen pädagogischen Ansatz Bezug nahmen als auf offensichtliche Missstände in der Jugendarbeit. 

Solche Missstände finden sich vielerorts und stellen sich bei näherem Hinsehen meist eher als amtliche Nachlässigkeit heraus, die wiederum Spiegelbild einer weitgehend desinteressierten Öffentlichkeit ist, die nur immer nur kurzzeitig aufschreckt, wenn es irgendwo "kracht", also "schief lief"
Unter welchen Konzeptbegriff solch Versagen gestellt ist, spielt im Grunde genommen keine Rolle, sondern lenkt eher noch von Verantwortlichkeiten ab.

Mir scheitert die akzeptierende Sozialarbeit also auf ganz anderer Ebene: begrifflich und praktisch daran, dass Sozialarbeit Extremisten zu Akzeptanz erziehen soll und möglichst durch Dialog.

Unser Projektname "Initiative-Dialog" ist programmatisch gemeint und steht für eine  dialogische Methode im Umgang mit Feinden bzw. solchen, die sich solcherart definieren und benehmen. 
Auch die dialogische Methode ist weder gegen Versagen/Missbrauch gefeit noch gegen eine darauf folgende Kritik. Das stellt sie so viel und so wenig in Frage wie den Menschen an sich. 
 
Unsere dialogische Methode hat viele Vorbilder, unter anderem in der klassischen Philosophie, beansprucht also nicht, dass sie ein Novum sei. 

Wir konzentrieren uns zwar auf die dialogische Methode, aber wir halten sie deshalb längst nicht für ein Allheilmittel, verstehen den Ansatz also nicht zur Verdrängung anderer Ansätze bzw. Methoden, wie es sie facettenreich in Pädagogik, Sozialarbeit, Jugendstrafvollzug und antifaschistischer Arbeit gibt. 

Wir begrüßen die Vielfalt und Vielzahl anderer Ansätze, selbstverständlich auch die reinen Aufklärungsprojekte, denn klar ist, dass die Individualität von Dialogen sehr zeitaufwendig ist und kaum Gelegenheit zu systematischer Analyse und Aufbereitung lässt. Deshalb begrenzen wir regelmäßig durch Löschen von Postings den Umfang von Dialogen auf ein Maß, mit dem wir als Initiative fertig werden wollen und können. 

Vielmehr haben sich die verschiedenen Konzepte zu ergänzen und können doch auch in ihrer Summe nicht ausschließen, was sich im Leben von Menschen fehl entwickeln kann. 

Dialogische Methode im Rahmen der Inidia bedeutet: 

1. Wir bemühen uns, den individuellen, sozialen und ideellen Hintergrund für Hass und Gewalt zu verstehen, um dialogisch intervenieren zu können.

2. Dafür schaffen wir im Internet Räume, in denen wir mit Extremisten die Auseinandersetzung suchen und führen. Ansonsten müssten wir raten:-) oder würden zu sehr pauschalisieren. 

3. Wir lassen uns in diesen Dialogen nicht darauf ein, dass wir nur über ihre Hobbythemen und Feindbilder sprechen, sondern nutzen die Themen, um die Person des Extremisten in die Diskussion einzubeziehen. 

Wir erarbeiten uns also ein umfassendes Verständnis, indem wir unser Gegenüber nicht nur darauf hin anschauen, was den Unterschied ausmacht, sondern versuchen die Person in ihrer Gesamtheit zu begreifen, sowohl individuell als auch in ihrer familiären, schulischen und sonstig sozialen Motiviertheit anzuschauen.

Die Person in ihrer Gesamtheit anzuschauen bedeutet, dass wir nach positiven Momenten suchen, auch nach Gemeinsamkeiten suchen, die wir betonen und ihnen in der Förderung zu einer Überlegenheit gegenüber destruktiven Erscheinungen verhelfen.

Unser Tun kann kaum mehr als ein Bemühen sein, denn uns fehlen zur Realisation Kenntnisse,  Instrumentarien und die Zeit für den Einzelnen. Insbesondere können wir niemandem sein soziales Umfeld ersetzen, worauf es häufig ankäme, aber wir können Akzente einbringen, die dort fehlen

Entscheidend für uns ist eine lebendige Vorstellung vom Menschen, also eine Sichtweise, die sich selbst weiterentwickelt und den Menschen nicht statisch weder als "durch und durch schlecht" oder "gut" begreift,  sondern in andauernder Entwicklung auch durch soziale Interaktion sieht.

Dazu bieten wir unseren Gästen den Dialog mit uns an. Das geschieht auf verschiedene, oft sogar gegensätzliche Weise: einerseits provozieren wir provozieren oder lassen uns bewusst provozieren, andererseits harmonieren wir entgegen die Erwartungen und lassen uns auf Provokationen nicht ein.

Wir machen gegenüber unseren Dialog-Teilnehmern das Ermessen hinsichtlich unserer Reaktionsarten erlebbar: nicht als "Willkür", wohl aber als unser berechtigtes Interesse daran, dass uns niemand unsere Umgangsart diktieren darf - bildlich gesprochen:  

 Wir bauen ein Haus, möglichst groß und schön,
 wir schreiben "Dialog" an die Tür. 

 Es kommen welche und klopfen mit dem Beil daran. 

 Solche Strolche sollen einerseits riskieren, 
 dass wir die Polizei rufen, 
 andererseits kann ihnen auch passieren, dass wir die Tür öffnen ...
 und bitten sie herein ...

 Bloßes Blockieren der Tür ist eine weitere Möglichkeit. 
 Wie wir reagieren, ist allein unsere Sache, 
 denn der Dialog und sein Maß ist unsere Freiwilligkeit.

Solch Konzept lässt sich nicht auf alle Situationen der Jugendarbeit oder Politik übertragen, aber darum geht es uns auch nicht. Die Kritik, die uns häufig in solcher Weise verdächtigt, ist vollkommner Schwachsinn, einem Lanzenritt auf Windmühlen gleich, an denen es obendrein noch fehlt. 

4. Wir nennen uns "Initiative-Dialog" in einem spezifischen Selbstverständnis, "dass die Initiative zum Dialog von uns ausgehen soll und darf", weil wir das Angebot schafften/schaffen und dürfen die Regeln des Umgangs definieren, die Themen und Foren dominieren.  

Vielen von denen, die mit uns im Dialog stehen, fehlt die spontane Einsicht in unser Anbieter-Vorrecht, kritisieren unsere redaktionellen Rechte als "Zensur", was wir dann unter dem entsprechenden Stichwort www.inidia.de/zensur.htm erklären und zurückweisen.

Doch auch, wenn wir verstanden werden, verstoßen viele aus Gründen politischer Feindschaft gegen unsere Dialog-Bedingungen oder versuchen uns die inhaltliche Dominanz streitig zu machen. Aber auch das ist Teil unserer dialogische Methode, denn häufig kommen wir nur dann an unsere politischen Gegner heran, wenn auch wir uns verletzlich machen, um dann unser Recht zu behaupten und für die Zivilität Akzeptanz zu schaffen.

Unsere dialogische Methode wäre also eher eine "adaptierende Sozialarbeit":-),  was im Übrigen begrifflich oft sehr viel mehr Sinn macht als von Resozialisierung zu sprechen, wenn es doch so vielfach an Sozialität schon ursprünglich fehlte und schlicht um Erziehung gehen müsste.

Aber auch von Adaption würden wir eher nicht sprechen, sondern von Integrationsbefähigung, womit wir die Entwicklungsverantwortlichkeiten ein Stück weit auf unser Gegenüber zu verlagern versuchen - in die Verantwortung nehmen, weil im Zugeständnis bzw. auch in der Zumutung von Verantwortung die notwendige Achtung der Menschenwürde liegt und positiver wirkt als ein Konzept, das den Menschen an die Leine nimmt, wofür er nicht bestimmt sein kann.  

Unser Dialog-Konzept ist dem Situationsansatz angelehnt, muss aber reduzierter bleiben, weil die dialogische Methode via Internet im Vergleich zu Nachbarschaft, Schule und Beruf zwangsläufig reduzierter ist. 
Allerdings bietet das Internet auch spezifische Chancen: erleichterte Kontaktaufnahme über soziale und politische Gräben hinweg, wozu die bei uns übliche Anonymität oft vorteilhaft ist.

Wir nehmen dennoch die Kritik an uns recht ernst, auch wenn sie uns mit dem Vorwurf der akzeptierenden Sozialarbeit auf  verfehlende Weise begegnet.  
Der Anlass für all diese Kritik wird sein, dass unsere Steuerungsinstrumente unzureichend ausgebildet sind, um Negatives vollständig zu unterdrücken, aber die Negativerscheinungen in unseren Projekten sind nicht nur im "Ungekonnt" begründet, sondern durchaus auch "gewollt".

Die von einigen Kritikern verlangten "sauberen Verhältnisse" wären naiv und suggerieren eine gefährliche Illusion, denn abseits vermeintlich "sauberer Verhältnisse" können sich die subkulturellen Szenen entwickeln und überraschen die "saubere Gesellschaft" durch Missetaten.

Wir wollen nicht den "Aufstand der Anständigen" diffamieren, können ihn aber nicht ganz so ernst nehmen,  denn  das Extremismus-Problem wird durch all diese Verdrängung eben nicht aus der Welt geschafft, wie manche glauben, die "Nazis raus!" rufen - und es dabei gut meinen, während wir im Gegenteil Extremisten einladen
Es ist aber eine Einladung zu uns in die Foren und nicht etwa mit ihren undemokratischen Parteien auf die Stimmzettel der Demokratie, was schon noch ein beachtlicher Unterschied ist, den aber die Kritik an uns aus Gründen ihres Unverstandes unserem Dialogangebot gegenüber oft übersieht.

Unsere Einladung hat indes nicht zur automatischen Folge, dass aus Neonazis, Islamisten, Antiislamiten, Antisemiten, Anarchisten oder sonstigen Extremisten - auch der gesellschaftlichen Mitte: Militaristen, Sexisten, usw. - sofort oder irgendwann garantierte Demokraten würden, aber der Dialog schafft Voraussetzungen zur Entschärfung von Widersprüchen durch die soziale Erfahrung des Dialogs selbst, denn der Dialog ist die denkbar zivilste Erfahrung, die jemand im politischen Streit machen kann.

Wir sind darin nur wenig theoretisch, sondern jeder von uns auf seine Art pragmatisch und in Wechselwirkung mit seinem Gegenüber: wir sind keine Computer, die ein Programm abspielen könnten und unsere Gegenüber sind ebenfalls keine Computer, denen wir Programme aufspielen könnten. 

Wir haben Verständnis dafür, dass nicht jeder Lust auf die Auseinandersetzung mit Kriminellen und Problemkindern hat, aber wir warnen davor, aus dieser Lustlosigkeit eine Tugend zu machen und Menschen an den Rand zu stellen, anstatt sich aktiv um ihre Besserung und Integration zu bemühen.

Wenn man uns darin nicht zu unterstützen mag, ist das nicht schlimm, denn es macht ohnehin nur Sinn, wenn man sich wirklich "für diese Typen" interessiert, aber gegen die stumpfsinnige Verurteilung unseres Engagements verwahren wir uns. 

Niemand nehme uns übel, dass wir uns ausschließlich davon leiten lassen werden, was wir im Umgang mit denen erlernen, die lernen müssen, dass ihr Leben nicht ihnen selbst und anderen zum Verhängnis wird.

Niemand erwarte von uns Doktorarbeiten oder werfe uns Unwissenschaftlichkeit vor, denn 

1. werden wir für unser Tun von niemandem bezahlt, 

2. ist Demokratie und das Leben nicht allein Angelegenheit von Experten.

Sven2000/2005

Antiautoritäre Erziehung    Streetworker    sie haben Angst, sie haben Wut ...

Plädoyer pro Gewalterziehung

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